Der Glaspavillon
Wir müssen mit einer fünfzehnprozentigen Kürzung des Gesamtetats unserer Behörde rechnen, und davon sind natürlich alle Projekte gleichermaßen betroffen. Wir hoffen, daß Sie das einarbeiten können. Abgesehen davon entspricht alles unseren Vorstellungen.«
»Was soll das heißen, ›abgesehen davon‹? Ihnen liegt bereits ein Mindestkostenvoranschlag vor, und Sie haben unser Angebot angenommen.«
»Änderungen vorbehalten … und so weiter und so fort, Sie kennen das ja.«
Ich schlug meinen offiziellen Ton an.
»Mr. Whittaker, Sie stimmen mir gewiß zu, daß dieses Wohnheim von dem Moment an eine Reinersparnis darstellt, an dem fünfzehn Patienten nicht mehr gleichzeitig in Frühstückspensionen unterzubringen sind beziehungsweise langfristig Betten belegen.«
»Sie wissen so gut wie ich, Jane, daß das theoretisch stimmt, aber für unsere Berechnung irrelevant ist.«
»Oh, ich könnte für die Dauer des nächsten Finanzjahres ja das Dach weglassen! Schließlich steht der Frühling schon vor der Tür. Andererseits, weshalb sich überhaupt mit einem Haus abmühen? Vielleicht gelingt es mir, einen Container zu besorgen, den man draußen auf die Straße stellt. Sollte irgendwo noch Geld übrig sein, ließe sich seitlich das neue Logo Ihres Amtes anbringen. Die Verrückten könnten darin untergebracht werden und ihre Medikamente per Post erhalten. Jenny, was sagst du dazu?«
Jenny sah mich besorgt an. Ich merkte, daß ich anfing, mich wie einer ihrer Pflegefälle zu benehmen.
»Jane, das bringt uns nicht weiter«, meinte Mr. Brady.
»Es ist sinnlos, uns anzugreifen. Wir sitzen in einem Boot.
Tatsache ist, daß wir nicht zwischen einem geänderten Entwurf und der ursprünglichen Idee entscheiden müssen, sondern zwischen Ihrem Kompromißentwurf und der Nullösung, und selbst das wird ein harter Kampf werden.
Sie sollten mal sehen, was sich in anderen Abteilungen abspielt. Die Tressell-Grundschule am Ende der Straße wird nächstes Quartal möglicherweise nur noch an vier Tagen in der Woche geöffnet sein.«
»In Ordnung, ich nehme Änderungen vor und stelle außerdem sicher, daß ich – sollte ich in der Zwischenzeit einen Zusammenbruch erleiden – außerhalb des Stadtteils in Gewahrsam genommen werde. Also, wann sollen wir vier, oder eventuelle Vertreter, wieder zusammenkom-men?«
»Ich rufe Ihre Sekretärin an, Jane«, erklärte Mr. Brady.
»Vielen Dank, daß Sie vergleichsweise einsichtig sind.«
Ich stieg auf mein Fahrrad und trat in die Pedale, was das Zeug hielt, bis meine Beinmuskeln schmerzten. Im Geiste nahm ich Abschied von den ausgeklügelten Einzelheiten und kleinen Raffinessen meines Entwurfs. Die nächste unangenehme Pflicht an diesem Tag war der Besuch bei meinem Vater, der mir Pläne zeigen wollte.
Ich würde nicht allein zu ihm fahren. Als ich meinen Bruder von dem Besuch erzählt hatte, hatte er darauf bestanden mitzukommen. Angeblich um zu sehen, wie es Vater ging. Ich vermutete, daß es eher mit seinem Film zu tun hatte, aber so kam ich wenigstens zu einer Mitfahrgelegenheit. Ich stellte mein Fahrrad ab und wartete auf Paul – eine gute Entschuldigung, um zwei Zigaretten zu rauchen. Auf unserer Fahrt nach Stockwell lamentierte mein Bruder ununterbrochen, daß dies mit Abstand die ungünstigste Tageszeit sei, um Richtung Süden zu fahren, und daß wir auf der Nordumfahrung sicherlich schneller vorangekommen wären. Als ich erwiderte, daß das nicht stimme, redeten wir bis Blackfriars Bridge kein Wort mehr miteinader.
Mein Vater, Jahrgang 1925, ist neunundsechzig. Ein alter Mann. Natürlich ist mir das klar, aber ich empfinde es normalerweise nicht so. Doch als er Paul und mir die Tür öffnete, wirkte er sehr grau und eingefallen. Die Altersflecken auf seinen Händen traten plötzlich erschreckend deutlich hervor. Aber als ich ihn umarmte und eingehender betrachtete, bemerkte ich, daß er immer noch recht gut aussah. So hatte er zum Beispiel dichteres Haar als sein Sohn. Ich glättete es mit der Hand, was er, so hoffte ich, als Zärtlichkeit verstand.
»Tee für euch beide?« fragte er.
»Du setzt dich jetzt hin, und ich kümmere mich darum«, antwortete ich. »Ich habe Zitronengelee mitgebracht. Falls du Toast hast, könnten wir etwas davon essen.«
Dad und Paul gingen ins Wohnzimmer, einen mit Büchern und Papier vollgestopftem Raum, dessen Wände dunkelrot gestrichen waren. Dagegen erinnerte die Küche mit den weißgetünchten Wänden und den unbequemen Holzbänken eher
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