Der Glaspavillon
zwanzig Riesen dafür hinblättert, hat man ein verständliches Interesse daran, Erfolge zu sehen.«
»Aber warum …«
Alex hob die Hand.
»Ich interessiere mich für Sie, Jane. Ich denke, wir können etwas erreichen. Aber zunächst müssen wir uns über ein paar Dinge klar werden. Eine Therapie ist etwas ganz anderes als ein Besuch beim Arzt, den man konsul-tiert, wenn man eine Infektion oder ein gebrochenes Bein hat. Sie könnten mich fragen, ob ich Ihren Zustand verbessern werde, und wir könnten dann eine langweilige philosophische Diskussion darüber beginnen, ob ich überhaupt etwas für Sie tun kann und was jeder von uns beiden mit ›den Zustand verbessern‹ meint.«
»Ich suche keine einfache Lösung.«
»So schätze ich Sie auch nicht ein. Deshalb möchte ich Ihnen klipp und klar sagen, was passieren kann oder auch nicht. Zunächst ein paar Warnungen: Vielleicht meinen Sie wie viele andere Menschen, es gäbe nichts Ange-nehmeres, als zwei, drei Stunden in der Woche mit einem Plausch über die eigenen Probleme zu verbringen und sich alles von der Seele zu reden. Meiner Erfahrung nach ist das die Ausnahme. Manchmal ist der therapeutische Prozeß an sich schon unangenehm. Wie kann ich das am besten beschreiben?« Alex sah sich in der Küche um und grinste. »Sie sind wahrscheinlich über das Chaos hier entsetzt. Mich macht es jedenfalls trübsinnig und meine Frau wütend. Also, warum räumen wir nicht einfach auf.
Na ja, es sieht zwar scheußlich aus, aber wir haben uns daran gewöhnt und finden das, was wir brauchen, ziemlich rasch. Wenn ich anfinge aufzuräumen, wäre es zunächst einmal noch chaotischer, da ich auch noch alle Schränke ausräumen müßte. Es gäbe eine Phase, in der alles noch schlimmer wäre als zuvor. Gleichzeitig würden wir Gefahr laufen, die Nerven zu verlieren und schließlich alles in diesem katastrophalen Zustand zu belassen. Die verschlimmerte Situation würde andauern, bis wir das Aufräumen beendet haben. Und selbst dann wäre es bei weitem nicht so gemütlich wie zuvor. Und obwohl die neue Ordnung sinnvoller wäre, weil sie mit Verstand geschaffen worden ist, würden wir im täglichen Leben wahrscheinlich unsere Sachen gar nicht schneller finden, denn wir sind immer noch an das ehemalige Irrationale gewöhnt. Sie sehen, ich mache Werbung dafür, die Dinge so zu belassen, wie sie sind.
Möglicherweise erreichen Sie auch gar nichts. Ich behaupte keinesfalls, daß Sie nach – sagen wir mal – sechs Monaten oder einem Jahr glücklicher sind oder mit Ihren Alltagsproblemen besser fertig werden. Sie leben ja nach wie vor in einer Welt, in der Menschen sterben und unversöhnliche Konflikte mit sich herumschleppen. Aber eines kann ich Ihnen zumindest in die Hand versprechen: Im Augenblick erscheint Ihnen Ihr Leben wie eine Sammlung bruchstückhafter Notizen und Eindrücke.
Vielleicht kann ich Ihnen dazu verhelfen, diese zu einer fortlaufenden Erzählung zu formen, die für Sie einen Sinn macht. Dann gelingt es Ihnen vielleicht, Verantwortung für Ihr Leben zu übernehmen, womöglich sogar, es besser zu bewältigen.
Das ist doch schon etwas, und das zumindest sollten wir anstreben. Aber es gibt auch andere Möglichkeiten.
Lassen Sie mich spekulieren. Ihre Wortwahl in bezug auf Ihre Freundin, die man mitten in der Landschaft Ihrer Kindheit vergraben hat, hat mein Interesse geweckt. Das ist ein eindrucksvolles Bild. Vielleicht trägt manch einer von uns sozusagen in Gedanken eine Leiche mit sich herum, die darauf wartet, entdeckt zu werden.«
»Was meinen Sie damit?«
»Machen Sie sich darüber keine Gedanken, es ist nur eine Idee, ein Bild.«
»Und wie soll das nun praktisch aussehen? Wie sollen wir vorgehen?«
»Gut, machen wir Nägel mit Köpfen: Ich möchte Sie zweimal die Woche sehen, jeweils eine Stunde, die allerdings nur fünfzig Minuten dauert. Ich nehme achtund-dreißig Pfund pro Sitzung, zahlbar im voraus zu Wochen-beginn. Wie gesagt, es wäre absolut verständlich, wenn Sie sich gegen eine Therapie entscheiden. Ich kann Ihnen fast hundertprozentig versichern, daß Sie sich mit oder ohne Behandlung in ungefähr einem Jahr erheblich besser fühlen. Der Schmerz über den Tod Ihrer Freundin wird bis dahin deutlich nachlassen, und Sie werden sich an Ihr neues Leben gewöhnt haben. Wenn Sie sich aber entscheiden, eine Therapie zu machen – was ich hoffe –, müssen Sie eine Verpflichtung eingehen. Das heißt, die Sitzungen sind heilig und dürfen nicht aufgrund
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