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Der Glaspavillon

Titel: Der Glaspavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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an einen Gemeinderaum der Quäker. Die Deckenstrahler, die man normalerweise nur für Verkaufs-flächen verwendet, tauchten den Raum zudem in ein unangenehm grelles Licht. Solange ich denken konnte, hatte Dad die elektrischen Leitungen neu verlegen lassen wollen, sich aber immer vor dem Umbau gefürchtet. Statt dessen vergrößerte er das Chaos noch. Wohin man blickte, überall Verlängerungskabel. Als ich das Tablett mit Tee und Toast ins Wohnzimmer trug, hatte Dad es sich im Lehnstuhl bequem gemacht, und Paul hockte auf einem Schemel und beugte sich verschwörerisch zu ihm hin. Die Düsternis, die sie umgab, war ein weiteres Ergebnis der Beleuchtungsstrategie meines Vaters und stammte aus der Mitte der siebziger Jahre, als es Mode war, nicht Räume, sondern »Bereiche« auszuleuchten. Folglich wurden in jedem Zimmer die Kabel von den Deckenrosetten entfernt und schauerliche Chromlampen in den Ecken installiert.
    Das Haus teilte sich nun in helle und dunkle Bereiche.
    Dad und Paul saßen im letzteren. Als ich nahe genug an sie herangetreten war, um etwas erkennen zu können, bemerkte ich in Pauls Augen wilde Entschlossenheit. Kein Zweifel, er recherchierte. Sogar ein Notizbuch lugte aus seiner Jackentasche.
    »Hat Paul dir erzählt, daß er eine Fernsehdokumentation über unsere Familie drehen will, Dad?« fragte ich betont heiter und stellte das Tablett lauter als gewohnt auf den Tisch.

    Paul fuhr auf und blickte mich finster an. »Ich wollte es ihm gerade erzählen«, sagte er.
    Etwas Gelbes lief an Vaters Kinn herunter. »Weshalb?«
    wollte er wissen. »Was ist denn so interessant an uns?«
    Paul holte tief Luft und legte seinen Toast zurück.
    »Das ist eine sehr gute Frage«, meinte er, woraufhin Dad ihn verwundert ansah. »Wenn ich über meine Familie berichte – die mich natürlich interessiert –, ermuntere ich damit auch die Zuschauer, sich aus einer neuen Perspektive mit ihrer Familie und ihrer Kindheit auseinander-zusetzen. Jede Familie ist anders und doch gleich.«
    »Ist das ein Zitat?« murmelte ich. Paul ignorierte meine Bemerkung.
    »Wenn ich über unsere Familie erzähle – über dich, über Mum, Jane und mich, und über die Martellos, die ich natürlich nicht übergehen kann –, was greife ich auf?« Da seine Frage rein rhetorisch war, nahm ich mir eine Scheibe Toast und biß hungrig hinein. Ich hatte kein Mittagessen gehabt. »Nostalgie. Nähe und Entfremdung. Besitzgier und Eifersucht. Kindheitsidylle. Schmerzliches Erwachsenwerden. Die Hoffnungen der Eltern für ihre Kinder, der Groll der Kinder auf ihre Eltern. Dies und noch mehr anhand der Erlebnisse einer Familie. Ich hoffe, du hilfst mir dabei.«
    »Schluß mit diesem Unsinn«, sagte Dad. »Trink deinen Tee, Paul, ich möchte Jane etwas zeigen.«
    Er führte mich zum Schreibtisch in der Ecke, auf dem Zeichnungen und alte Bücher lagen.
    »Wie kommt dein Projekt voran?« fragte er.
    »Welches?«
    »Ich spreche nicht von dem auf Stead. Ich meine das Wohnheim.«

    »Es wir allmählich zur Qual.«
    »Das tut mir leid, Jane. Kann ich dir irgendwie helfen?«
    »Ja, jeden im Wohnungsamt umbringen.«
    »Gut, gut«, sagte Dad geistesabwesend. Was führte er im Schilde? Er war in Gedanken mit etwas anderem beschäftigt.
    »Ich habe dich nicht ohne Grund hergebeten. Ich dachte, vielleicht magst du einen Blick auf das hier werfen.«
    »Was ist das?«
    »Das wird mein Altersprojekt. Ich möchte das Innere des Hauses renovieren.«
    »Weshalb?«
    »Ich möchte die ursprüngliche Form und Ausstattung wiederherstellen. Das Haus soll wieder so aussehen, wie es in der Mitte der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts gewesen war. Ich habe bereits Skizzen angefertigt. Die Grundsubstanz bleibt unangetastet. Die Hauptarbeit wird sein, in diesem Zimmer und im oberen Stockwerk Trennwände einzuziehen.«
    Paul hatte sich hinter uns gestellt und sah mir über die Schulter.
    »Das heißt, du mauerst das wieder zu, was du in den sechziger Jahren eingerissen hast?« meinte er höhnisch.
    Ich trat Paul gegen das Schienbein, doch mein Vater fuhr fort, als hätte er die Bemerkung nicht gehört.
    »Die Gesimse und die Rosetten müssen natürlich instand gesetzt werden. Glücklicherweise können wir Abdrücke aus den noch vorhandenen erstellen.«
    »Ich bin sprachlos«, sagte ich. »Aber wird das nicht ziemlich teuer werden.«
    »Ich werde selbst Hand anlegen.«

    »Das wirst du nicht.«
    »Doch. Pat Wheeler hat mir seine Hilfe zugesagt.«
    Ich wußte nicht, was

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