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Der Glaspavillon

Titel: Der Glaspavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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zwei, drei Gehminuten voneinander entfernt.«
    »Was haben Sie dort gemacht?«
    »Das weiß ich noch wie heute. Ich war eine launische Sechzehnjährige. Ich glaube nicht, daß ich Ihnen gefallen hätte. Ich war ein bißchen verliebt, ein bißchen verzweifelt und in jenem Sommer entweder mit Natalie zusammen, allerdings – aus verschiedenen Gründen – nicht so oft wie sonst, oder mit Theo. Oder ich war allein. An diesem Spätnachmittag war ich richtig in Weltuntergangsstim-mung. Ich schnappte mir das einzige Exemplar der Liebesgedichte, die ich den Sommer über geschrieben hatte, und legte mich ans Ufer des Col, am Fuß des Cree’s Top. Dort saß ich mehrere Stunden und las immer wieder in meinen Gedichten. Einem Impuls folgend riß ich eine Seite nach der anderen aus dem Heft, zerknüllte sie so, daß sie wie kleine weiße Nelken aussahen, und warf sie in den Bach. Ich schaute zu, wie die Strömung sie von mir wegtrieb, bis alle verschwunden waren. Ich glaube, es ist sinnlos, wenn ich weitererzähle.«
    »Doch, Jane, tun Sie mir den Gefallen.«
    »Wenn Sie wollen. Ich habe ein Problem mit der Vorgehensweise. Ich mißtraue ihr, denn mir scheint, ich werde dadurch ermutigt, in nicht besonders wichtigen oder eindeutigen Gefühlen zu wühlen und sie vielleicht dadurch noch zu verstärken.«
    »Welche Gefühle?«
    »Ich meine keine bestimmten Gefühle. Aber ich will noch bei der Situation bleiben, die ich gerade beschrieben habe. Jahrelang habe ich unter diesem starken Schuldgefühl gelitten, ich hätte etwas tun können, um das Unglück zu verhindern. Ich war doch ganz in ihrer Nähe, und wenn die Umstände nur ein kleines bißchen anders gewesen wären, wenn ich mich entschlossen hätte, über den Cree’s Top zu gehen, hätte sich all das womöglich nie ereignet und ich hätte Natalie retten können. Mir ist natürlich auch klar, daß die Überlegung lächerlich ist und man sich über vieles und jedes den Kopf zerbrechen kann.«

    »Ihr Schuldgefühl war enorm groß.«
    »Ja.«
    »Gut, ich denke, wir sollten hier abbrechen.«
    Alex half mir von der Couch herunter.
    »Ich finde, Sie haben das sehr gut gemacht.«
    Ich spürte, wie ich errötete, so wie damals, als ich in der Schule vortreten mußte, um eine Auszeichnung entgegen-zunehmen. Ich war regelrecht ein bißchen verärgert über mich und mein zartbesaitetes Gemüt.

    9. KAPITEL
    Zwischen den Knochen fanden sich noch andere Knochen.
    Natalie war schwanger gewesen, als sie erwürgt wurde.
    Die Polizei teilte es Alan und Martha mit, Alan rief seine Söhne an und Claud mich – einen Tag vor dem Begräbnis.
    Anfangs konnte ich nichts von dem glauben, was er mir mit seiner sanften Stimme erzählte. Wie immer, wenn Claud seine berufsmäßige Gelassenheit an den Tag legte, begann ich unsinniges Zeug zu plappern. Ein Wust von Fragen schwirrte mir durch den Kopf.
    »Wie ist es möglich, daß sie schwanger war?«
    »Es ist für uns alle unbegreiflich, Jane.«
    »Wer könnte denn der Vater gewesen sein?«
    Claud klang müde und ungeduldig. »Jane, ich habe es eben erst erfahren. Mehr weiß ich auch nicht.«
    »Dann wird die Beerdigung wohl gar nicht stattfinden, oder?«
    »Doch. Die Polizei hat die Überreste freigegeben.«
    »Aber werden sie denn keine Untersuchungen machen?
    Können sie nicht mit DNS-Tests oder so herausfinden, wer der Vater ist? Du bist Arzt, du mußt das doch wissen.«
    Das war für Claud ein Signal, seinen schulmeisterlichen Ton anzuschlagen. »Sicher haben die Gerichtsmediziner Proben entnommen, Jane. Aber soviel ich weiß, braucht man für den Nachweis von DNS Blut oder andere Körper-flüssigkeiten.«
    »Und was ist mit den Knochen?«
    »Ist das wirklich der richtige Zeitpunkt für solche Fragen, Jane? Knochenzellen haben Zellkerne, die natürlich DNS enthalten. Aber sie nimmt in Skeletten ab, soviel ich weiß. Wenn die Knochen in der Erde gelegen haben, zerfallen die DNS-Spiralen nicht nur, sondern werden auch verunreinigt. Aber das gehört nicht zu meinem Fachgebiet. Da mußt du die Sachverständigen fragen.«
    »Scheint ziemlich hoffnungslos«, sagte ich.
    »Ja, es sieht nicht gut aus.«
    Schwanger. Mir wurde übel, und eine Vorahnung, die nach und nach von mir Besitz ergriffen hatte, legte sich jetzt wie eine Klammer um mein pochendes Herz.
    »Lieber Gott, Claud, Claud … was sollen wir denn nur tun?«
    Ich ließ mich in den alten grünen Sessel neben dem Telefon fallen und schaukelte vor und zurück.
    »Tun?« fragte er. »Wir werden wie

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