Der Glaspavillon
gefunden wurde, zeigen: Ich gehöre immer noch zur Familie.«
»War es wichtig für Sie, daß die anderen Ihre Entscheidung billigten?«
»Nicht unbedingt, daß sie sie billigten, aber ich wollte nicht als jemand dastehen, der einen Keil in die Familie treibt.«
»Hat man Sie nach Ihren Gründen gefragt?«
»Eigentlich nicht.«
»Und weshalb haben Sie sich zu diesem Schritt entschlossen?«
»Genau darüber habe ich mir auf dem Weg hierher Gedanken gemacht. Ich wußte, daß ich irgendeine Antwort parat haben muß, aber ich habe keine. Ist das nicht seltsam? Da sitze ich nun hier, bin zweiundvierzig Jahre alt und habe Claud als Zwanzigjährige, als ich noch zur Universität ging, geheiratet. Und das alles habe ich über Bord geworfen. Natürlich hat man mich nach dem Grund gefragt. Claud war am Boden zerstört, und meine Söhne waren schrecklich verwirrt und zornig. Sie verlangten eine Erklärung, vermutlich um einen Halt zu haben, aber ich konnte ihnen keine geben. Nicht etwa, weil ich ihnen etwas verschweigen wollte. Ich konnte ihnen lediglich sagen, daß ich damals blindlings in diese Heirat hineingeschlittert war und nun das Gefühl hatte, aus einem langen Schlaf erwacht zu sein. Als ich mich umsah, waren Jerome und Robert erwachsen und lebten nicht mehr zu Hause. Da entschloß ich mich zu gehen. Es tut mir leid, das war jetzt sehr ausführlich und wahrscheinlich wenig plausibel.«
Eine Zeitlang herrschte Stille, bis ich zu weinen anfing.
Ich war wütend über mich, konnte aber die Tränen nicht zurückhalten, die mir über die Wangen strömten.
Verwundert spürte ich Alex’ Hand auf meiner Schulter.
»Entschuldigung«, schniefte ich. »Ich schäme mich nur so für das, was ich angerichtet habe. Und jetzt benehme ich mich auch noch albern und lasse mich gehen. Tut mir leid.«
Alex durchquerte das Zimmer und kam mit einer Handvoll Papiertaschentücher zurück.
»Hier«, sagte er.
Ich putzte mir die Nase und wischte mir das Gesicht ab.
Anstatt sich auf seinen Stuhl zu setzen, hockte sich Alex zu meinem Erstaunen vor mich hin. Als meine Tränen versiegt waren, bemerkte ich seinen prüfenden Blick auf mir.
»Ich werde Ihnen jetzt ein paar Dinge sagen«, erklärte er. »Sie wissen bereits, daß es nichts macht, wenn Sie in diesem Zimmer weinen. Sie können hier tun, wonach Ihnen der Sinn steht, solange das Sofa keine Flecken bekommt. Aber etwas ist noch viel wichtiger. Während dieser Zeit, in der Sie zu mir kommen und wir miteinander reden, bemühe ich mich, Ihnen gegenüber so offen und geradeheraus wie möglich zu sein. Ich möchte gleich damit anfangen und Ihnen sagen, daß ich Sie nicht für schwach halte und Sie nicht zerknirscht darüber sein sollten, weil Sie kein griffiges Motiv dafür finden, weshalb Sie Ihren Mann verlassen haben. Ein solcher Schritt erfordert Mut. Im Gegenteil, wenn Sie mir einen oberflächlichen Grund dafür nennen würden, müßten wir uns erst mal darum bemühen, ihn beiseite zu schieben, und nachschauen, was sich eigentlich dahinter verbirgt. Sie fordern sich, das ist schon mal gut! Und, fühlen Sie sich jetzt besser?«
Ich setzte mich auf, schneuzte mir die Nase und knüllte unsicher das Papiertaschentuch zusammen, bevor ich es in die Tasche steckte. Ich nickte. Alex klopfte mir beruhigend auf die Schulter und ging dann im Zimmer auf und ab. Das machte er anscheinend immer, wenn er intensiv nachdachte. Nachdem er offensichtlich zu einem Entschluß gekommen war, setzte er sich wieder in den Sessel.
»Ich werde Ihnen natürlich keine Antworten liefern. Das ist Ihre Aufgabe. Meine ist es, die Richtung nicht aus den Augen zu verlieren, die wir verfolgen sollten. Wenn Sie sich dort nicht wohl fühlen, wo ich Sie hindirigiere, müssen Sie es sagen, aber ich bitte Sie, mir zu vertrauen.
Zu dem, was Sie mir gerade erzählt haben, fällt mir sofort ein, daß Sie nicht nur Ihre Ehe beendet haben, sondern auch Abschied genommen haben von einem wichtigen Teil Ihrer Vergangenheit und Kindheit. Viele Menschen in einer Situation wie der Ihren wären vor der Familie geflüchtet. Daher würde ich gerne wissen, weshalb Sie intuitiv in die Familie zurückgekehrt sind, um sich zu vergewissern, ob Sie noch akzeptiert werden. Mir scheint, wir sollten uns weniger mit den Beweggründen für Ihre Scheidung befassen, sondern uns mit dieser Familie beschäftigen. Sind Sie damit einverstanden?«
Ich schniefte. Ich hatte meine Fassung zurückgewonnen und konnte reden.
»Wenn Sie
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