Der Glaspavillon
bemängelt, daß selbst jetzt, nach vierzig Jahren, der Sexismus Ihrer Romane problematisch bleibt.«
Wieder nahm Alan einen großen Schluck Whisky, der ihn erstaunlich lange am Sprechen hinderte.
»Warum sollte das ein Problem sein?« fragte er schließlich.
»Ich freue mich, daß meine Bücher immer noch sexy wirken. Was ist dagegen einzuwenden, daß man groß-
busige Frauen sexy findet? Ist doch herrlich!« Ich schlug die Hände vors Gesicht. Neben mir hörte ich unterdrücktes Kichern. Es kam nicht von Theo, sondern von dem Mann auf meiner anderen Seite. Alan hielt inne; offenbar genoß er die peinliche Stille. Auch Elizabeth Judd schwieg erwartungsvoll. »Ich mache nur Spaß, Lizzie. Ich sollte lieber nicht über Busen sprechen, stimmt’s? Das ist ein unpassendes Thema und hier nicht erwünscht. Wollen Sie andeuten, ich mag keine Frauen, liebe Lizzie?«
»Was veranlaßt Sie zu der Annahme, daß ich so etwas denke?«
»Das sagen Leute wie Sie doch immer. Reden wir über mich oder reden wir über meine Bücher. Lizzie? Ich liebe die Frauen. Ich mag Sex. Jedenfalls habe ich ihn früher gemocht, als ich noch in der Lage war, ihn auch zu praktizieren. Ist es das, was Sie hören möchten? Also, sollen wir uns nun über mein Buch unterhalten?«
Inzwischen lag mein Kopf schon fast zwischen meinen Knien, und ich überlegte, ob ich mir nicht auch noch die Ohren zuhalten sollte. Da hörte ich ein schlurfendes Geräusch. Stand Alan etwa auf? »Ich habe diesen Roman mit meinem Herzblut geschrieben.« Dumpf schlug die Faust gegen seine Brust. Durch das Mikrofon, das er trug, klang der Schlag um ein Vielfaches lauter – wie ein Rammbock, der gegen ein Schloßtor geschmettert wurde.
»Ich habe ihn geschrieben, als ich noch sehr jung war, und die Leute, die das Buch benutzen, um zu zeigen, was Alan Martello über Frauen denkt, sind mir scheißegal. Ich hab die Nase voll, gestrichen voll von diesen ganzen Diskussionen, in denen behauptet wird, das eine Buch ist besser als das andere, nur weil es irgendwie hübscher ist.«
Im Publikum erhob sich nervöses Gemurmel. Ich blickte auf und sah mich inmitten eines Walds emporgestreckter Arme. Lizzie Judd deutete auf eine junge Frau.
»Würden Sie sagen, daß Moral nichts mit der literarischen Qualität zu tun hat?« lautete ihre Frage.
»Ach, lecken Sie mich doch«, sagte Alan. »Wir sind hier doch nicht bei der moralischen Aufrüstung, oder? Ich dachte, wir wollten über meine Bücher sprechen. Oder wollen wir uns doch lieber über Sex unterhalten? Lizzie, möchten Sie uns vielleicht erzählen, was Sie im Bett machen und mit wem – falls Sie überhaupt mit jemandem ins Bett gehen?«
Jetzt ertönten Zwischenrufe aus verschiedenen Ecken des Zuschauerraums. Lizzie Judd jedoch blieb gelassen und bat mit ruhiger Stimme um Ruhe, wie ein Schieds-richter beim Tennis.
»Mr.
Martello, möchten Sie mit der Diskussion fortfahren?«
Alan hob sein Glas, als wollte er gänzlich unpassender-weise einen Toast ausbringen.
» Ich hab nichts dagegen«, sagte er.
Wieder hoben mehrere Zuschauer die Hand. Ein blasser, schlanker junger Mann stand auf. Sein Schal war so oft um den Hals gewickelt, daß ich kaum etwas von seinem Gesicht erkennen konnte.
»Ich bin auch ein Mann, Mr. Martello«, verkündete er.
»Ach wirklich?« meinte Alan mit unüberhörbarem Zweifel.
»Aber ich gehöre nicht zu Ihrer Generation«, fuhr der junge Mann mit bebender Stimme fort. »Ich glaube, die Art von Zuneigung, die Sie dem weiblichen Geschlecht angeblich entgegenbringen, hat den Frauen in der Vergangenheit oft genug geschadet – diese ganze anima-lische Sexualität, die Sie so positiv darstellen. Wird sich die Welt jemals ändern, solange Menschen wie Sie, Menschen, auf die andere hören, stur Ihren Chauvinismus beibehalten, der sich als schriftstellerische Freiheit ausgibt?«
Zustimmendes Gemurmel wogte durch den Saal. Heiß brannten die Fernsehscheinwerfer auf die Bühne herab.
Alan schwitzte, während Elizabeth Judd weiterhin makellos kühl wirkte.
»Du aufgeblasener Lackaffe«, konterte Alan, inzwischen mit hörbar schwerer Zunge. »Wenn Frauen zu ihrer Verteidigung auf Typen wie dich angewiesen sind, sind sie echt verraten und verkauft. Du ermutigst sie doch bloß, sich in alle Ewigkeit als Opfer zu betrachten. Bei jedem Kinkerlitzchen gleich Belästigung und Vergewaltigung zu schreien. Verdammte Scheiße.«
»Arschloch!« rief eine weibliche Stimme aus den hinteren Reihen. Lizzie Judd ließ
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