Der Glaspavillon
eigentlich hergekommen war.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?« erkundigte sich Helen.
»Ich war gerade bei Luke McCann«, sagte ich statt einer direkten Antwort.
»Wo?«
»In seiner Schule in Sparkhill.«
»Warum sind Sie zu ihm gegangen?«
»Haben Sie die Zeitungen gesehen? Haben Sie gelesen, was Alan sich bei der Veranstaltung in der Kunstakademie geleistet hat?«
Helen lächelte dünn. Ihre blasse Haut war von der Kälte gerötet, ihre Wangen glühten. »Ja, ich hab es gelesen.«
»Es war grauenhaft, aber ich glaube, Alan hat recht, und das macht mich ganz verzweifelt.«
»Sie meinen, wegen Luke.«
»Ja«, antwortete ich. »Deshalb bin ich ja zu ihm gefahren. Ich wußte eigentlich gar nicht, was ich ihm sagen sollte, aber er machte einen ziemlich aufgewühlten Eindruck.«
»Ist das nicht verständlich?«
»Sehen Sie, Helen, ich weiß, es gibt keine wissenschaftliche Methode, mit der man nachweisen könnte, daß Luke der Vater von Natalies Baby war, und ich habe mir schon das Gehirn zermartert, was ich tun könnte, um diese Verbindung herzustellen. Ich hab mir überlegt, ob ich die Gästeliste der Party durchgehen und alle diejenigen raussuchen soll, die Luke gekannt haben. Vielleicht hat er ja gegenüber einem von ihnen irgendeine Bemerkung fallen lassen. Haben Sie eigentlich schon mit seinen Eltern gesprochen? Vielleicht wissen die ja etwas.«
Helen blickte sich um.
»Gehen wir hier rein«, schlug sie vor und führte mich in einen Tea Room, wo wir beide einen Kaffee bestellten.
Als er gebracht wurde, legten wir unsere kalten Hände um die heißen Tassen und tranken eine Weile schweigend.
Dann sah mich Helen fragend an.
»Wer hat Ihnen eigentlich erzählt, daß es nicht möglich ist, eine Verbindung zwischen Luke und dem Fötus nachzuweisen?«
»Ich weiß nicht, aber ich habe gehört, daß man keine DNS-Analyse machen kann, weil die DNS-Stränge schon zerfallen und verunreinigt sind.«
Wieder erschien das dünne Lächeln auf Helens Gesicht.
»Ja, da haben Sie recht. Einer der Grundstoffe der DNS
oxidiert, und die Stränge zerfallen. Und die DNS, die aus den Knochen gewonnen wurde, war zu neunundneunzig Prozent verunreinigt.«
»Ich verstehe nur Bahnhof.«
»Macht nichts. DNS-Analysen bringen uns in einem Fall wie diesem nicht weiter, aber es gibt noch eine andere Methode. Man nennt sie Polymerase-Kettenreaktion.«
»Und was ist das, wenn es fertig ist?«
»Eine Methode, mit der sich kleinste Mengen menschlicher Überreste vervielfachen lassen. Natürlich sind die DNS-Stränge immer noch zerstört, aber es gibt eine Menge Wiederholungen in der DNS-Sequenz. Und diese kleinen Wiederholungen sind charakteristisch und erblich.«
»Was bedeutet das?«
»Es bedeutet, daß Luke McCann nicht der Vater von Natalies Baby war.«
Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen stieg.
»Es tut mir furchtbar leid, Helen. Ich habe mich ziemlich blöd benommen.«
»Nein, Jane, das war mehr als verständlich. Mr. McCann ist nie verhaftet worden, man hat ihn nicht mal verhört.
Also hat man ihn auch nie offiziell freigesprochen, und deshalb wurden auch die Testergebnisse nie bekannt-gegeben. Angesichts der jüngsten Ereignisse haben wir jedoch beschlossen, heute nachmittag eine Erklärung zu veröffentlichen.«
»Ist dieser Test zuverlässig?«
»Ja.«
»Gott, Luke hätte es mir doch einfach sagen können.
Aber es war meine Schuld.«
Wir tranken unseren Kaffee aus. Helen bestand darauf, selbst zu bezahlen. Dann überquerten wir den Platz zum Polizeirevier. Vor der Tür wollte ich mich verabschieden.
Doch Helen druckste herum und fragte schließlich zögernd:
»Sie und Theodore Martello sind in jenem Sommer zusammen gegangen, richtig?«
»So könnte man es nennen.«
»Warum ist es … ich meine, wie hat es aufgehört?«
»Traurig.«
»Er spricht oft von Ihnen, Jane.«
»Woher wollen Sie das denn wissen?«
»Oh, ich habe Ihnen doch schon erzählt, daß ich mich mit ihm unterhalten habe. Ziemlich oft sogar.«
Man sah Helen an, daß ihr die Sache etwas peinlich, aber auch sehr wichtig war, und mir schoß ein äußerst unangenehmer Gedanke durch den Kopf. Unter meinem prüfenden Blick wurde sie puterrot. Aber sie sah nicht weg. Jetzt wußte ich Bescheid, und sie wußte, daß ich es wußte; ich wollte etwas sagen, wollte sie warnen, keine Dummheiten zu machen. Doch da wandte sie sich linkisch ab, verzog das Gesicht und verschwand durch die Tür ins Polizeirevier. Da ich noch eine halbe Stunde auf
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