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Der Glaspavillon

Titel: Der Glaspavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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zu gerne wissen, ob Sie vielleicht Lust hätten, sich mit mir zu treffen?«
    O Gott, eine Verabredung.
    »Hm, gern. Ich meine, wann hatten Sie denn gedacht?«
    »Wie wäre es mit sofort?«
    »Jetzt gleich?«

    »Na ja, vielleicht in einer halben Stunde.«
    Ich hatte noch die letzten Einzelheiten für das Ausschuß-
    treffen zu klären und mußte mir unbedingt die Haare waschen. Kein guter Tag, eher einer, an dem Hektik und schlechte Laune vorprogrammiert waren.
    »Geben Sie mir eine Stunde. Wo wollen wir uns treffen?«
    »Lincoln’s Inn Fields Nummer dreizehn. Ich warte draußen auf Sie.«
    Die Details für den Ausschuß herauszusuchen schaffte ich nicht mehr. Aber immerhin wusch ich mir die Haare.

    Er stand vor dem Gebäude und trug den selben unförmigen Tweedmantel, den er in der Kunstakademie angehabt hatte. Da er in die Lektüre eines Taschenbuchs vertieft war, konnte ich ihn mir genauer ansehen, ehe er mich entdeckte. Er hatte die langen aschblonden Locken aus der Stirn gekämmt und trug eine runde Nickelbrille.
    »Das Museum von Sir John Sloane«, sagte ich.
    »Kommen Sie immer hierher, wenn Sie sich zum erstenmal mit einer Frau verabreden?«
    Überrascht blickte er auf. »Ja, das erklärt wahrscheinlich meinen Erfolg bei Frauen. Aber es kostet nichts, und irgendwie fühle ich mich da drin, als würde ich im Gehirn eines Mannes herumwandern.«
    »Ist das ein angenehmes Gefühl?«
    Als wir durch die Tür ins Innere des seltsamen Hauses gingen, berührte er mit der Hand ganz leicht meine Schulter. Eine Treppe führte zu den oberen Etagen, eine andere ins Untergeschoß. Caspar dirigierte mich zuerst in ein dunkel rostrot gestrichenes Zimmer. Überall standen merkwürdige Gegenstände, architektonische Fragmente, archaische Werkzeuge, exzentrische Kunstwerke.
    »Sehen Sie sich das an«, sagte Casper und deutete auf eine formlose Masse. »Das ist ein Pilz aus Sumatra.«
    »Ein was?«
    »Na ja, eigentlich ist es eine Art Schwamm.«
    Wir durchquerten unvorstellbar schmale Korridore, die sich zu noch unvorstellbareren Ausblicken öffneten, hinauf und hinunter, überall gesäumt von einem Sammel-surium sonderbarer Objekte.
    »Jedes Zimmer ist wie ein separater Teil des Gehirns, das alles hier entworfen hat«, meinte er. Ich bemerkte, daß seine Fingerknöchel rote Farbflecke hatten und sein Hemdkragen verschlissen war.
    »Wie ein männliches Gehirn vielleicht«, entgegnete ich etwas süffisant.
    Er grinste. »Ordentlich eingeteilt, meinen Sie. Mit irgendwelchem Zeug vollgestopft. Vielleicht. Vielleicht haben Sie recht. Man merkt, daß es nicht einer Frau gehört hat, oder? Manchmal komme ich in der Mittagspause hierher und staune, wie ein ganzes Menschenleben in ein Haus gepackt sein kann. Es ist so nach innen gerichtet, finden Sie nicht? Aber gleichzeitig auch nach außen.«
    »Ist das Ihr Standardvortrag?« fragte ich.
    »Tut mir leid, gehe ich Ihnen auf die Nerven?«
    »Ich hab nur Spaß gemacht.«
    Wir gingen ins obere Stockwerk, in den großen Gemäldesaal, der in einem tiefen Safrangelb gehalten war.
    Der Schein der Wintersonne, die durch die Bogenfenster hereinschien, ließ die gedeckten, vielfältigen Farben aufleuchten; der Raum war kühl und ernst wie eine Kirche. Zusammen gingen wir an Hogarths Rake’s Progress entlang – ein wildes, zorniges Werk. Vor The Madhouse blieb Caspar stehen.
    »Sehen Sie«, sagte er. »Zelle fünfundfünfzig, der Mann da mit dem Zepter und dem Topf auf dem Kopf, er uriniert gerade. Schauen Sie sich den Gesichtsausdruck der beiden eleganten Damen an.«
    Ich betrachtete die groteske Szene mit ihren dunklen Figuren in verzerrten Haltungen und schauderte.
    »Das ist Bethlehem’s Hospital, das berüchtigte Bedlam.
    Es stand in Moorfields, direkt vor der Stadtmauer.
    Hogarths Vater war wegen seiner Schulden im Gefängnis, und das hat ihn stark beschäftigt. Sehen Sie sich das Gesicht dieser knienden alten Frau an, Jane, sie wirkt kaum noch wie ein Mensch.«
    Ich sah ihn an. Seltsam, wie er meinen Namen sagte.
    Plötzlich merkte ich, daß es lange her war, seit ich mich das letztemal glücklich gefühlt hatte. Neben Caspar, in einem Haus, das dem Gehirn eines Mannes glich, war es, als lichte sich der dunkle Nebel, in dem ich so lange gelebt hatte, als öffne sich ein Fenster in eine neue, eine hellere Zukunft. Ich sah die Welt, ich sah den Himmel. Eine Weile stand ich ganz still, fühlte Hoffnung in mir aufsteigen. Unsere Blicke trafen sich.
    »Kommen Sie«, sagte Caspar. »Ich

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