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Der Glaspavillon

Titel: Der Glaspavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Kim nie, aber jetzt hörte es sich eindeutig so an.
    »Na ja, es war alles so kompliziert. Ich meine, Paul bedeutet es offensichtlich sehr viel, und er hat schon eine Menge Arbeit reingesteckt. Vermutlich spielt auch die Überlegung mit, daß ich jetzt schon so weit gegangen bin und den Rest auch noch überstehen werde.«
    »Du schlägst also allen Ernstes vor, daß Paul und Erica und natürlich auch Rosie am ersten Weihnachtstag hier mit laufenden Kameras antanzen und dich beim Truthahn-braten filmen? Himmel, Jane, dein Vater wird hier sein.
    Und Robert und Jerome. Und ich mit Andreas.«
    »Sie werden ja nicht den ganzen Tag bleiben. Sie wollen bloß einen kurzen Eindruck von der Familie an Weihnachten Bekommen. Bis zum Essen sind sie längst wieder weg.«
    Am anderen Ende der Leitung erklang ein Gurgeln, und ich erkannte zu meiner großen Erleichterung und Freude, daß Kim kicherte.
    »Hilfst du mir dabei, Kim? Das durchzustehen, meine ich.«
    »Keine Sorge, aber was soll ich anziehen? Ich war noch nie im Fernsehen. Waren es Streifen oder Punkte, die verboten sind?«

    »Bitte schön, einen trockenen Sherry und dazu einen Mince Pie.«
    Der Sherry war blaßgelb, der Mince Pie heiß und würzig. Vorsichtig ließ ich mich auf dem Sofa nieder, das aussah, als wäre es soeben mit aufgeschüttelten Kissen vom Kaufhaus angeliefert worden. Ich kam mir vor wie eine Fremde, wie ein höflicher Gast.
    »Es ist sehr schön hier.«
    Das Zimmer sah tadellos aus, fast als sollte es für einen farbigen Werbeprospekt fotografiert werden. An den elfenbeinfarbenen Wänden hingen sechs kleine Drucke.
    Ein quadratischer Teppich lag genau in der Mitte des Parkettfußbodens. Zu beiden Seiten des Sofas standen neue Sessel, ein Buch über normannische Kirchen und ein zusammengefaltetes Exemplar des Guardian zierten den kleinen Couchtisch. Auf dem alten, frisch polierten Klavier blühte ein hübscher Kaktus, und auf einem Ständer in der Ecke prangte ein kleiner Weihnachtsbaum mit einer weißen Lichterkette. Von meinem Platz aus –
    noch immer hielt ich anmutig meinen Sherry und meinen Mince Pie – konnte ich eine Küche sehen, die so blitzsauber war, daß ich mich fragte, ob Claud überhaupt jemals dort kochte.
    »Ja, mir gefällt es auch. Ich hab es genau so eingerichtet, wie ich es mir immer gewünscht habe.«
    Über den akkurat aufgeräumten Raum hinweg lächelten wir uns nervös an. Ich dachte unwillkürlich an das Chaos in meiner Küche: riesige Schalen mit Saftorangen, stapelweise Rechnungen und unbeantwortete Briefe, Listen, die ich geschrieben und danach nie wieder angeschaut hatte, zerbrochene Teller, die ich schon ewig hatte kleben wollen, Weihnachtskarten, die ich an einer Schnur aufhängen wollte, wozu ich aber leider noch nicht gekommen war, zwischen den Tassen auf dem Geschirrschrank ein Mistelzweig, an den sich traurige Erinnerungen knüpften, den ich aber trotzdem nicht weggeworfen hatte, Vasen mit Narzissen, überall im Zimmer verteilt, in unordentlichen gelben Bündeln, Zettel mit Architekturzeichnungen, die ich angefangen, aber nicht vollendet hatte, Fotos, die noch nicht ins Album eingeklebt worden waren, Dutzende von Büchern, aus Zeitschriften ausgeschnittene und nicht eingeordnete Rezepte, eine halbvolle Flasche Wein. Und natürlich eine nadelnde Fichte, deren chaotische Dekoration das Werk der Jungs war; Weihnachtsbäume, so behaupteten sie, müssen farbenfroh und frech aussehen. Also hatten sie die herrlichen rosaroten und türkisfarbenen Kugeln ausgegraben, die Glitzersterne, die ganzen Klunker, die sich im Lauf der Jahre angesammelt hatten, und hatten den Baum damit behängt. Ich schlug Claud vor, wir könnten doch ein wenig Musik hören.
    »Ich habe keine«, antwortete Claud.
    »Wo sind denn alle deine CDs?«
    »Die gehörten zu einem anderen Leben.«

    »Wenn du sie nicht wolltest, warum hast du sie dann mitgenommen?«
    »Weil sie nicht dir gehörten.«
    Ich war entsetzt. »Willst du mir allen Ernstes erzählen, daß du alles an Musik, was du im Lauf der Zeit gesammelt hattest, einfach mir nichts, dir nichts in den Müll hast wandern lassen?«
    »Ja.«
    Ich blickte mich im Zimmer um. Jetzt erst begriff ich, daß Claud mit chirurgischer Präzision jeden Hinweis auf unser gemeinsames Leben, auf unsere Familie entfernt hatte. Hier herrschte keine Ordnung. Hier herrschte gähnende Leere.
    »Claud«, platzte ich heraus, »wie erinnerst du dich an Natalie?« Im selben Augenblick, als ich die Frage stellte, wußte

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