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Der Glaspavillon

Titel: Der Glaspavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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schon, nicht so schüchtern. Du erwartest doch schließlich auch, daß alle anderen in deiner lächerlichen Fernsehsendung ihre Intimitäten herausposaunen.«
    »Herrgott, Alan, das ist doch pubertäres Theater. Aber wenn du es unbedingt wissen willst – ich hatte wahrscheinlich mit etwa dreizehn Frauen Sex, vielleicht auch mit fünfzehn.«
    »Dann hab ich gewonnen«, stellte Alan zufrieden fest.
    »Ich schätze, daß ich mit gut hundert Frauen geschlafen habe, vermutlich ungefähr hundertfünfundzwanzig.«
    »Oh, bravo, Alan«, sagte ich, so sachlich ich konnte.
    »Vor allem wenn man bedenkt, daß du ja ein Handikap hattest – als verheirateter Mann mit Kindern.«
    Inzwischen hatte Alan bereits ein ordentliches Pensum Bordeaux intus.
    »Oh, der wahre errötende Musenquell«, sagte er, nahm einen großen Schluck Wein und wischte sich den Mund mit der Serviette ab. »Das war kein Handikap. Wißt ihr, was das Gute am literarischen Erfolg ist?«
    Paul und ich blickten ihn erwartungsvoll an, denn wir wußten beide, daß die Frage rein rethorisch war.
    »Das Gute sind die Frauen«, verkündete Alan. »Wenn man einen erfolgreichen Roman verfaßt und – egal, ob zu Recht oder Unrecht – als Vertreter der jüngeren Generation gehandelt wird, heimst man natürlich ordentlich Geld und Ruhm ein, aber man kriegt auch eine Menge Frauen, die man sonst nicht gekriegt hätte. Wenn ich eine Frau kennenlerne, irgendeine Frau, dann versuche ich mir vorzustellen, wie sie im Bett ist. Das tun alle Männer, nur trauen sich die meisten nicht, danach zu handeln. Ich hab’s getan. Wenn ich eine Frau kennenlernte, die ich attraktiv fand, habe ich sie gefragt, ob sie mit mir ins Bett geht.
    Und sehr oft hat eine ja gesagt.« Er schob sich einen Löffel Kidney Pudding in den Mund und kaute inbrünstig.
    »So was sollte man nicht sagen, stimmt’s?«
    »Hast du das bei jeder Frau gemacht?« fragte ich.
    »Jawohl.«
    »Zum Beispiel bei Chrissie Pilkington?«
    »Bei wem?«
    Auf halbem Weg zwischen Teller und Mund machte der Löffel halt. Alan runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach.
    »Du erinnerst dich wohl nicht mehr an alle Namen?«
    »Selbstverständlich nicht.«
    »Sie war eine Schulfreundin von Natalie. Lange blonde Locken, wie ein Modell für ein präraffaelitisches Gemäl-de. Sommersprossen. Kleine Brüste. Groß. Fünfzehn Jahre alt.«
    »O ja, jetzt fällt’s mir wieder ein«, sagte Alan wehmütig.
    »Sie war glaube ich sechzehn, oder nicht?« fügte er mit vorsichtiger Stimme hinzu.
    »Mädchen in diesem Alter sind wunderschön, nicht wahr?« fragte ich.
    »Ja, das sind sie«, bestätigte Alan. Er wollte immer gern bestimmen, welche Richtung das Gespräch nahm, aber jetzt wußte er nicht recht, worauf das alles hinauslief.
    »Ihre Haut ist makellos. Der Körper fest, vor allem die Brüste.«
    »Genau.«

    »Und sie besitzen eine ganz besondere sexuelle Anziehungskraft. Ich konnte sie sogar bei den Mädchen sehen, die Jerome und Robert mit nach Hause gebracht haben. Sie sind zwar noch ein bißchen wie Kinder, aber haben den Körper einer erwachsenen Frau. Und ich wette, sie unterwerfen sich sexuell den Wünschen des Mannes, und sie sind scharf auf Sex. Ich wette, sie sind zu fast allem bereit, was man von ihnen verlangt. Ja, sie sind sogar noch dankbar dafür. Hab ich recht?«
    »Manchmal«, antwortete Alan mit einem unbehaglichen Lachen. »Das ist alles schon so lange her.«
    Auch Paul sah aus, als wäre ihm das alles nicht ganz geheuer. Wahrscheinlich fragte er sich, in was für einen Privatkrieg er da hineingeraten war und wie er sich am besten verhalten sollte.
    »Es war alles so perfekt, nicht wahr? Man schrieb das Jahr 1969, die kleinen Mädchen nahmen die Pille, es war die Zeit der sexuellen Befreiung. Leider hat es nicht immer funktioniert. Wie mit Chrissie beispielsweise.
    Natalie hat euch erwischt. Und sie hat es Martha erzählt.
    Und diesmal wurde Martha nicht wütend, hat es aber auch nicht einfach hingenommen. Sie hat dir erzählt, daß sie eine Affäre mit meinem Vater hatte. Wie fandest du das?«
    »Wie bitte?« Paul war sichtlich schockiert.
    Alan hatte das Steak und den Kidney Pudding aufge-gessen. Geräuschvoll kratzte er das letzte bißchen Soße aus dem Teller und leckte gründlich den Löffel ab. Er behauptete immer, es sei eine Angewohnheit aus dem Krieg, daß er seinen Teller bis zum letzten Rest leer aß. Er sah sehr müde aus.
    »Ich fand das irgendwie übertrieben«, sagte er. »Wenn Martha gern mit

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