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Der Glaspavillon

Titel: Der Glaspavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Mann anfing, solches Zeug zu faseln, mußte ich mich einfach einmischen. Vielleicht war es in gewisser Hinsicht ganz heilsam. Weißt du, ich habe doch diese Phantasievorstellung, die Welt wäre besser, wenn an bestimmten Wendepunkten der Weltgeschichte ein briti-scher Linguist und Philosoph greifbar gewesen wären und dafür gesorgt hätten, daß die Terminologie konsequent durchgehalten wird. Wahrscheinlich ist es ganz gut, wenn man gelegentlich einen Faustschlag ins Gesicht bekommt.

    Glaubst du, ich kriege ein blaues Auge?«
    »Ganz bestimmt.«
    »Hast du einen Spiegel?«
    Ich überreichte Caspar einen Spiegel aus dem Medizin-schränkchen. Er begutachtete sich voller Ehrfurcht.
    »Erstaunlich. Schade, daß ich erst am Dienstag wieder ins College muß. Die wären tödlich beeindruckt.«
    »Keine Sorge. Ein Veilchen muß reifen wie ein guter Wein. Nächste Woche ist es sicher noch imposanter.«
    »Solange es nur Fanny keine Angst einjagt. Wobei mir einfällt …«
    »Ich fahr dich hin. Mit deinem Wagen. Keine Sorge.
    Mein Fahrrad ist ja noch drin.«

    22. KAPITEL
    »Was möchtest du, Jane?« fragte Alan und musterte mich über die halben Gläser seiner Lesebrille hinweg.
    Wie üblich wußte ich es nicht. »Ich hab mich noch nicht entschieden. Paul soll als erster bestellen.«
    »Dann mal los, Paul.«
    »Weißt du, ich habe bei einer Speisekarte immer dieses existentielle Problem. Ich kann mich nicht entschließen, was ich bestellen soll.«
    »Ach, um Himmels willen«, explodierte Alan. »Wir fangen mit dem Räucherlachs an. Hat jemand was dagegen? Gut. Dann möchte ich ein Steak und Kidney Pudding. Für alle, die gutes altmodisches Essen mögen, kann ich das nur empfehlen.«
    »In Ordnung«, sagte Paul, ziemlich nervös.
    »Jane?«
    »Ich hab eigentlich gar keinen Hunger. Ich nehme nur einen Salat.«
    Alan wandte sich an den Kellner. »Haben Sie das notiert? Und Kaninchen für die Lady neben mir. Und sagen Sie Grimley, daß wir eine Flasche von meinem Weißwein und eine Flasche Roten möchten, und ich trinke zunächst mal eine Bloody Mary. Die anderen hätten wahrscheinlich gerne überteuertes Mineralwasser mit einem ausländischen Namen.«
    »Ich hätte auch gern eine Bloody Mary«, warf ich unvermittelt ein.
    »Gut, Jane.«
    Alan gab dem Kellner die Speisekarte, nahm die Brille ab und lehnte sich zurück.
    »Salat«, wiederholte er schaudernd. »Salat gehört auch zu den Gründen, weshalb man Frauen so lange nicht hier reingelassen hat.«
    Dieses schäbig-pompös ausgestattete Restaurant südlich von Picadilly Circus mit seinen drittklassigen alten Meistern, seiner abgewetzten Clubeinrichtung, den ausge-blichenen Vorhängen, dem Rauch, dem Männertratsch, war Alans zweites Zuhause. Blades, der Club, dem er nun schon seit über dreißig Jahren angehörte. Heute schien er sich irgendwie unwohl zu fühlen, er wirkte gereizt und bedrückt, und ich hatte nicht den Eindruck, als wäre die Gesellschaft von Paul und mir geeignet, ihn aufzuheitern.
    Paul war voll und ganz mit seiner Fernsehsendung beschäftigt. Während wir zusammen die Lower Regent Street hinunterspaziert waren, hatte er mir erklärt, daß Alan die Schlüsselfigur des Projekts sei. Dieser Teil des Films müsse unbedingt stimmen. Doch er sei sich nicht sicher, wie er mit Alan umgehen sollte. Als ich jetzt am Tisch saß und mir eine Zigarette nach der anderen am Stummel der vorhergehenden anzündete, hatte ich den Eindruck, daß vor mir ein unerfahrener Angler saß, der eine Fliege vor der Nase eines altehrwürdigen Lachses tanzen ließ. Und ich? Was nützte ich Alan im Augenblick?
    Inzwischen waren die Bloody Marys und das Mineralwasser gekommen. Alan nahm einen großen Schluck.
    »Wie war das Essen mit der neuen Verlagslektorin?«
    erkundigte ich mich.
    »Reine Zeitverschwendung«, antwortete Alan. »Kannst du dir vorstellen, daß das Mittagessen mal meine liebste Tageszeit war? Als Frank Mason noch mein Lektor war, haben wir drei, vier Stunden beim Essen verbracht. Einmal haben wir so lange getagt, daß wir gleich noch zum Abendessen im selben Restaurant blieben. Gestern habe ich dann diese neue Lektorin kennengelernt, Amy heißt sie. Hatte ein Kostüm an und trank nur Wasser. Hat eine Vorspeise runtergewürgt und ein Glas Mineralwasser getrunken. Eigentlich wollte ich ihr zeigen, wo’s langgeht: Gin Tonic als Aperitif, drei Gänge, ein paar Flaschen Wein, Brandy, Zigarre, alles.«
    »Und was ist daraus geworden?« fragte Paul.
    »Ich hab’s nicht

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