Der Glaspavillon
getan«, antwortete Alan achselzuckend.
»Und wißt ihr, warum? Sie fand mich langweilig. Alan Martello, der reaktionäre alte Säufer, der seit den siebziger Jahren kein Buch mehr zustande gebracht hat. Vor fünfundzwanzig Jahren wollten Mädchen wie sie mit mir schlafen. Sie standen Schlange, um mit mir ins Bett zu steigen. Heute versuchen sie, ein Essen mit mir so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Viertel nach zwei war sie wieder in ihrem Büro.«
Ich trank einen Schluck.
»Wie fand Martha eigentlich diese Schlangen von schwärmerischen jungen Mädchen?« wollte ich wissen.
»Die gute alte Jane – immer interessiert sie sich dafür, was andere Leute empfinden. Immer soll alles glatt und perfekt sein. Die Antwort lautet, daß wir uns irgendwie durchgewurschtelt haben, wie andere Menschen auch.«
»Es hat ihr also nichts ausgemacht?«
Alan zuckte die Achseln. »Sie hatte Verständnis für mich.«
»Wie geht es Martha eigentlich, Alan?«
»Oh, ganz gut«, erwiderte Alan zerstreut. »Die Behandlung nimmt sie ein wenig mit, so ist das eben. Wenn sie das erst mal hinter sich hat, wird es sicher besser. Sie macht sich hauptsächlich Sorgen wegen diesen verdammten Ärzten.«
Wieder einmal rührte mich dieser Mann mit dem struppigen Bart und den roten Wangen, der hier herum-schwadronierte, sich selbst an der Nase herumführte und immer noch am gleichen Roman schrieb, den er angefangen hatte, als wir alle noch Kinder waren. Dieser Mann, der den Gedanken verdrängte, daß seine Frau sterbenskrank war, der nicht bei ihr sein wollte. Aber was empfand ich eigentlich für ihn?
»Ich hab in letzter Zeit viel über Natalie nachgedacht«, sagte ich.
Alan winkte den Kellner heran und bestellte noch zwei Bloody Marys. Ich machte mir nicht die Mühe, Protest einzulegen.
»Ich weiß«, antwortete Alan, nachdem der Kellner wieder gegangen war. »Und ich hab auch gehört, daß du zu einem von diesen Seelenklempnern gehst. War alles ein bißchen viel für dich, was?«
»Ja, ich glaube schon. In gewisser Weise.«
»Und du schnüffelst herum. Was suchst du eigentlich?
Willst du vielleicht rausfinden, wer meine Tochter umgebracht hat?«
»Ich weiß nicht. Eigentlich versuche ich hauptsächlich, all die Dinge in meinem Kopf zu ordnen.«
»Und dann du, Paul, du und deine Fernsehsendung! Habt ihr beide keine eigene Familie, mit der ihr euch beschäftigen könnt?«
Jetzt zeigte der Wodka bei Alan deutlich seine Wirkung.
Ich kannte diesen Zustand. Er würde spöttische Bemerkungen machen, nach wunden Punkten suchen und uns so lange provozieren, bis wir die Beherrschung verloren. Ich wechselte einen raschen Blick mit Paul, der mir zulächelte. Gemeinsam waren wir der Situation gewachsen, und vor uns saß ja ohnehin nicht mehr der gleiche dominierende, mitreißende Alan von früher. Im Räucherlachs stocherte er nur ein bißchen herum; erst als das Steak mit Kidney Pudding kam und der Kellner das große Weinglas mit dem schweren, dunklen Bordeaux füllte, besserte sich seine Laune Zusehens.
»Salat – daß ich nicht lache«, sagte er, während er versuchte, sich die Serviette wie ein Lätzchen um den Hals zu binden.
Ich habe alte Fotos von Alan gesehen, dem »zornigen jungen Mann«. In den frühen fünfziger Jahren war er schlank, fast asketisch gewesen. Jetzt hatte er Übergewicht und rote Flecken im Gesicht. Seine von geplatzten Ader-chen durchzogene Nase zeugte von jahrelanger Schlem-merei. Aber die lebhaften blauen Augen glitzerten immer noch genauso kokett und gebieterisch. Vor allem für Frauen war es schwer, sich ihrer Faszination zu entziehen.
Selbst jetzt noch konnte ich mir vorstellen, daß eine Frau, die diesen Blick auf sich spürte, Lust hatte, mit ihm ins Bett zu gehen.
»Mit wie vielen Frauen hast du geschlafen, Alan?«
Ich konnte selbst nicht glauben, daß ich das gefragt hatte, und wartete beinahe panisch auf seine Antwort. Zu meiner Überraschung lachte Alan laut auf.
»Mit wie vielen Männern hast du geschlafen, Jane?«
»Wenn du es sagst, sag ich es auch.«
»In Ordnung. Dann mal los.«
Himmel, das hatte ich mir selbst eingebrockt.
»Es sind leider nicht besonders viele. Sieben, vielleicht acht.«
»Und ein Viertel davon sind meine Söhne.«
Das Blut stieg mir ins Gesicht.
»Und was ist mit dir? «
»Möchte Paul uns seine Erfahrungen nicht vielleicht auch mitteilen?«
Erschrocken blickte Paul auf.
»Ich hab nichts versprochen«, beteuerte er und schluckte schwer.
»Ach, komm
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