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Der Glaspavillon

Titel: Der Glaspavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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jemandem bumsen wollte …« Zwar brüllte er nicht, aber er sprach laut genug, daß an den Nebentischen zwei Gäste in Nadelstreifen die Köpfe umwandten. Ach, es war dieser Schriftsteller, der sich mal wieder danebenbenahm. »Wenn sie mit jemandem bumsen wollte, hätte sie es einfach tun sollen, sie hätte es bestimmt genossen. Statt dessen wollte sie etwas demonstrieren und verführte deinen armen Vater. Ich glaube, das hat deine Mutter nie überwunden. Ich finde, Martha hat sich niederträchtig benommen.« Paul hatte die Hände vors Gesicht geschlagen.
    »Nicht nur das«, fügte ich hinzu, »außerdem hat Martha die Familie bedroht, diese schöne, heile Welt, die du zwischen den Martellos und den Cranes aufgebaut hattest, und das alles nur, weil sie ein Exempel statuieren wollte.
    An deiner Stelle wäre ich stinksauer gewesen.«
    Alan leerte sein Glas in einem Schluck. Er wirkte nicht mehr wie ein Mann, der ein vierstündiges Festmahl übersteht.
    »Ich war auch stinksauer«, antwortete er, jetzt mit gedämpfter Stimme.
    »Und was hast du gemacht, Alan?«
    Vorsichtig legte er den Löffel in den Teller. »Ich finde, wir haben genug über Sex geredet«, murmelte er.
    »Du hast damit angefangen«, bemerkte ich, aber Alan hörte mir nicht zu.
    »Unsere Familie – und damit meine ich auch dich – war wunderbar«, sagte er. »Es war schändlich, das alles aufs Spiel zu setzen, nur um mir eins auszuwischen. Das war unverzeihlich.
    Und letzten Endes hatte nur Felicity darunter zu leiden.
    Hast du dir das jemals klargemacht, Jane? Die liebe, süße Martha und Natalie, deine Schwester im Geiste, die haben deiner Mutter das angetan.«

    »Natalie war auch verletzt.«
    Alans Reaktionen waren deutlich verlangsamt. Er sah aus wie ein verwirrter alter Mann, den man gerade aus dem Schlaf gerissen hat.
    »Natalie? Es war Martha, nicht Natalie.«
    »In jenem Sommer hat sich alles zugespitzt, stimmt’s?
    Chrissie und du, die Enthüllung über Martha und meinen Vater, dann Natalie. Eine ganze Menge für einen Sechzig-Minuten-Film. Paul, solltest du nicht lieber eine Serie daraus machen?«
    Paul schob seinen Teller von sich. Er war noch halb voll.
    »Was willst du, Jane?« fragte er leise.
    »Und was willst du, Paul?« warf Alan ein, wie immer erpicht darauf, Öl in die Flammen zu gießen.
    »Alan, ich liebe dich, ich liebe euch alle. Das will ich in meinem Film einfangen.«
    »Wir werden ja sehen«, meinte Alan matt. »Beeil dich, Jane, wir wollen unseren Nachtisch.«
    Ich spießte ein matschiges Viertel Tomate auf die Gabel.
    Schon beim Gedanken an etwas Eßbares in meinem Mund wurde mir speiübel.

    23. KAPITEL
    Das Wasser im Spülbecken war schaumig von dem ganzen Gänsefett (»warum essen wir Gans«, hatte Robert, mit der Stimme eines Elfjährigen gequengelt, »sonst gab es doch immer Truthahn«). Ich zog den Stöpsel heraus, hob die fettigen Teller aus dem Becken und stapelte sie ordentlich auf die Seite. Rotkohlreste und ein paar Zigarettenstummel
    – vermutlich meine – lagen zusammen mit dem Besteck auf dem Grund des Beckens. Ich spülte alles grob ab, steckte den Stöpsel wieder in den Abfluß und ließ heißes Wasser einlaufen – mit viel Spülmittel. Dann ging ich ins Eßzimmer, um das Schlachtfeld in Augenschein zu nehmen.
    Ein Stuhl lag noch immer umgekippt auf der Seite, dort, wo Jerry ihn hingeschmissen hatte, ehe er hinausgestürmt war (»diesmal bist du wirklich zu weit gegangen, Mutter! « ), mit Hana im Schlepptau, die auf ihren dünnen schwarzen Absätzen versuchte, graziös hinter ihm herzutrippeln. Ich hob den Stuhl auf und ließ mich darauf niedersinken. In der Mitte des Tisches tropften die Kerzen vor sich hin und warfen ihr flackerndes Licht auf den Trümmerhaufen. Ein umgekippter, halb zermatschter Plumpudding lag – ungefähr so appetitanregend wie ein aufgeschlitzter Fußball – zwischen einer Ansammlung verschmierter Weingläser, Becher, Portweingläser, leerer Flaschen. Wieviel hatten wir getrunken? Nicht genug –
    jedenfalls nicht genug, um die Erinnerungen auszublen-den, die sowieso unbarmherzig von dem Fernsehteam festgehalten worden waren.
    Ich hob eine grüne Papierkrone auf, setzte sie mir auf den Kopf und zündete eine Zigarette an. Es war schön, wieder allein zu sein. Während ich langsam den Rauch einsog, fegte ich die leeren Knallbonbonhüllen zusammen und warf sie ins Kaminfeuer, das kurz aufflammte, dann aber rasch wieder zu einer goldgefleckten Glut zusammen-sank. Mein Blick fiel

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