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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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Krieg.
    Â»Ich war damals im Internat und hatte ein Stipendium, weil Vater ein Kriegsheld war. Aber wenn ich in den Ferien da war, dann besuchte ich sie … Sie war eine hochgewachsene Frau, wie ihre Mutter, allerdings noch jung, nur hingen die Kleider irgendwie schlaff an ihr herab, sie war etwas schlampig, wie man so sagt. Ihr Mann war etwa ein Jahr zuvor gestorben, sie aber hatte noch diesen suchenden Blick, auch wenn nicht mehr viel los war mit ihr, das siehst du ja an den Bildern … Hol mir eine Zigarette, mein Kind, aus dem Nachtschränkchen von deinem Onkel, so, danke, und ein Streichholz, wenn es geht, ja, das mit ihrem Mann, mit deinem Großvater also, das war eine Geschichte für sich … Der hatte eine Verletzung, aus dem Krieg, und die Ärzte gaben ihm Morphium, wie das damals üblich war. Dann konnte er nicht mehr ohne, er war eben ein willensschwacher Mensch, er lernte, sich selbst zu spritzen, das ganze Bein war von Einstichen übersät. So hat er sich auch die Entzündung geholt, und eines Tages war es aus mit ihm … Mittlerweile hatte es sich herumgesprochen, dass er in keine Klasse ging, ohne vorher zu spritzen. Er war Lehrer wie sie, aber um einiges älter … Und manche haben auch deine Großmutter LetiÅ£ia verurteilt, weil sie ihn nicht von dem Bösen abgehalten, sondern all ihre Apothekenbekanntschaften abgeklappert hat, um ihm Morphium zu besorgen. Nachher hat sie gesagt, sie habe Mitleid gehabt und ihn nicht seinen Qualen überlassen wollen, und sie hat sich das immer vorgeworfen, aber so ist sie selbst allein geblieben mit den Kindern … Halbwegs erwachsen war unter denen nur dein Onkel Ion, deine Mutter und Biţă waren klein, ich sehe sie noch, wie sie im Hof spielten, die Leute meinten, sie würde sich nicht genug um sie kümmern, sie würde dasitzen und lesen, wenn sie nicht in der Schule war. Und einen Offizier hatte sie auch gefunden, da war nämlich eine Garnison in der Stadt, in die sie zog, nachdem ihr Mann gestorben war. Was sie sich aber auch gedacht hat dabei, dass der sie nehmen würde, wie sie war, und drei Kinder dazu, da hätte sie eine Mitgift gebraucht, anders war an eine Heirat mit einem Offizier nicht zu denken. Der dachte auch gar nicht dran, die Garnison wurde verlegt, und weg war er, er mag ihr noch eine Weile geschrieben haben, wie sie behauptete, und dann, wie die Männer halt sind … Und sie, eine erwachsene Frau, hatte wohl kein Hirn im Schädel, denn statt sich um Haus und Kinder zu kümmern, irrte sie wie betäubt herum, aß nicht mehr und erkältete sich, wie, weiß ich nicht, jedenfalls bekam sie Tuberkulose. Die konnten nichts mehr für sie tun, sie kam ins Krankenhaus, und was haben ihre Geschwister da nicht alles angeschleppt, Tag für Tag kamen die mit Päckchen. Sie aber teilte sie ständig unter anderen Kranken im Zimmer auf, als wären die unsere große Sorge. Schließlich merkte sie selbst, was sie getan hatte, heulend bettelte sie die Ärzte an, macht etwas, damit ich weiterlebe, sagte sie, ich will noch nicht sterben, was wird aus meinen Kindern allein auf der Welt, ich will leben, sagte sie, ich will nicht sterben … Die haben nichts mehr gemacht, was denn auch, wo sie doch selbst nicht imstande war, für sich zu sorgen, wer sollte es denn sonst tun … Die armen Kinder, die blieben halt so zurück und mussten sich mühsam durchs Leben schlagen. Es waren aber gute Kinder, und sie haben es geschafft, wenigstens dein Onkel Ion, und er hat auch für die anderen beiden gesorgt, und so …«
    *
    Â»LetiÅ£ia ist ein völlig bescheuerter Name«, sagte ich und klappte das Album zu.
    Ich wandte mich ab und schob es zurück in die Anrichte zwischen verwaiste Tassen und Bettwäsche, dabei konnte ich noch mit halbem Auge sehen, wie der Herr Emil automatisch zustimmend nickte. Erst in der Sekunde darauf, als meine Worte ihn erreichten, nahm ich den verwirrten Ausdruck seiner Augen wahr, starr wie eine stehengebliebene Uhr.
    Â»Niemand ist zufrieden mit dem Namen, den man ihm gegeben hat – das wirst du sehen, wenn du Kinder hast«, tröstete mich Mutter, nur weil der Herr Emil da war.
    So dachte ich zumindest, böse wie ich war. Und scheuerte in der Hocke den Bratrost des Ofens.
    Â»Weder mit seinem Namen noch mit seinem Wohnort«, lachte Onkel Ion und entkorkte die Flasche mit dem gelben

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