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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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verhaftet …«
    Â»Nun, irgendwie ist das ja ganz günstig, oder?« Der Herr Emil gab sich praktisch, versuchte zu denken wie die anderen, schaffte es aber nicht, und wieder spürte ich seine Gleichgültigkeit. Weil der Onkel immer finsterer blickte, legte er nach: »Ich meinte …« Er schaute zu mir herüber. »Da sind doch so viele, oder? Die sich pro forma scheiden lassen, um die Karriere ihrer Kinder nicht zu gefährden, mit den Schulen ist das halt so eine Sache …«
    Â»Um Scheidung geht es nicht, die war durch, als er verhaftet wurde«, antwortete der Onkel verdrießlich. »Victor hat ihr über jemanden, der von dort kam, sagen lassen, dass ihm alles, was geschehen ist, leid tut, und ich glaube, ihr tat es auch leid, wie auch immer, es waren ja keine großen Dramen … Außerdem frage ich mich, wo ist denn das Drama, wenn zwei schwer voneinander loskommen? Vor allem in dieser Situation, wenn man da ein Mensch ist …«
    Â»Ja«, stimmte der Herr Emil zerstreut zu, er wollte offenbar auf etwas anderes hinaus, das ihn mehr interessierte. »Aber mir scheint, mehr als er hat doch seine Familie Politik gemacht, oder? Die hatten sogar ein Gut in der Nähe … Einer seiner Brüder, habe ich gehört, war Minister in der faschistischen Regierung Antonescu. Du hast ihn wahrscheinlich gekannt …«
    Â»Ich habe ihn gekannt«, sagte der Onkel, »ich habe sie alle gekannt.«
    War seine Stimme wirklich so zurückhaltend, wie mir schien, oder wollte er nur vor mir nicht offen reden? Für einen Augenblick war ich sicher, dass sein ängstlicher Blick nach dem Bett schweifte.
    Â»Victor hing sehr an seiner Familie und war damals ziemlich jung, überhaupt der Jüngste, alles andere als eigenständig. Darum auch die Trennung von Margareta, die nicht in den Clan passte«, fuhr er fort, wobei sein Tonfall immer sachlicher wurde.
    Â»Was haben die ihm denn zur Last gelegt, als sie ihn verhafteten?«
    Wie lange hatte ich das schon fragen wollen, jetzt aber fürchtete ich wirklich, dass Mutters Schritte im Vorzimmer zu hören wären und die Tür aufginge …
    Â»Tja«, antwortete der Onkel und fächelte mit der Hand den Zigarettenrauch zur Seite. »Sie haben sie damals alle geholt …«
    Â»Habt ihr den Wein ausgetrunken?«, fragte Mutter, als sie eintrat. In der Eile hatte sie versäumt, das frisch aufgetragene Puder an den Nasenflügeln zu verteilen. Dort und im Ausschnitt verkrustete es streifig – über den roten Flecken. Wieder tat sie allzu lebhaft und rückte die Stühle hin und her, völlig unsinnig in meinen Augen.
    Â»Es tut mir leid, dass ich vorhin … Entschuldigung …«
    Â»Komm, Emil, lassen wir das, greif lieber zu, damit wir diese Flasche endlich leermachen …« Der Onkel betätigte den Hebel der Sodawasserflasche, die gab allerdings nur noch ein paar Tropfen her. Der Herr Emil zog sich schon an.
    Â»Entschuldige bitte«, sagte er, »es ist spät geworden.« Mit einigem Ungeschick nestelte er an der Gürtelschnalle des Mantels.
    Â»Ich hoffe, Sie kommen uns bald wieder besuchen …« Von der Tür her gluckste Mutters bemühtes Lachen, ihr hagerer Körper wiegte sich in der Erinnerung längst vergessener Bewegungen. Genervt knallte ich zwei Bücher auf das Nachtschränkchen und stand auf, um zum Abschied die Hand zu geben.
    Â»Ich komme wieder, danke«, antwortete er und beugte seinen marionettenhaften Körper. Mit ungebügelten Kleidern, flatternd, als wären sie verwelkt, lenkte er seine alten Schritte in die einsamen Gässchen und schleppte sein steriles Martyrium mit sich, das er vergeblich hinter seinen höflichen Phrasen zu verstecken suchte.
    Â» Nun komm, Gevatter Ion, trink noch ein Schlückchen mit, ganz gelb ist dein Gesicht, als wenn der Tod eintritt, ganz gelb ist dein Gesicht, als wenn der Tod eintritt «, summte fröhlich der Onkel. Schwerfällig erhob er sich, rückte zuerst die Stühle zurecht und zog dann den Vorhang auf, um für die Nacht zu lüften.
    Â»Was ist denn nun eigentlich, haben sie dem Emil eine Stelle gegeben?«, fragte Mutter, während sie die Überdecke langsam abzog.
    Â»Sie haben ihm ein paar Stunden in den unteren Klassen gegeben.«
    Der Onkel hatte sich hinter den Wandschirm verzogen, um sich auszuziehen, und von

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