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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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knirschte auf dem Weg, und der Frost klebte meine bebenden Nasenlöcher bei jedem Schritt rhythmisch zusammen. Ich rutschte über eine lange Eisbahn, die von vielen Absätzen vor mir zerkratzt worden war. Laut lachte ich über die nunmehr bekannte Straße und die erstarrten Schaufenster. In mir war etwas Unbestimmtes, das mich hin und wieder überkam, worauf ich kicherte und mir sagte: morgen, morgen . Ich war dem Verstehen sehr nahe und reckte mich vom Rand dorthin, wo ich es vermutete.

Kapitel XI
    E r hatte an dem runden Bronzeknauf gedreht und die massive Holztür mit den staubdurchsetzten Rissen aufgestoßen, jetzt stieg er vor mir die paar Stufen ins Kellergeschoss hinunter, wobei er seine Taschen nach dem Schlüssel absuchte. Die Hand an der Türklinke, verharrte ich auf der Schwelle und versuchte das Zimmer wiederzuerkennen. Es schien tiefer, als es eigentlich war, denn die vereinzelten Möbel standen weit auseinander, ein schmales Sofa an dem einen und ein paar Bücherregale an dem anderen Ende. Auf dem Fußboden Stöße von Büchern und Vorlesungsskripten mit starren Pappeinbänden, unter dem Tisch leere Wein- und Wodkaflaschen. Es roch nach altem Zigarettenrauch, der längst in die Wände und in die niedrige Decke gezogen war. Lässt sich wohl schwer lüften, dachte ich mir und betrachtete die hoch angesetzten kleinen Fenster, durch die man auf das schmutzige Hofpflaster sah. Nur vor dem letzten wankte ein kahler Strauch mit verholzten Stacheln, von dessen Spitze eine einzige herbstliche Rose herabhing, deren bläulichrote Blätter unter dem ersten Schnee erschlafft waren. Marta hatte mir gesagt, dies sei einmal die Garage des Hauses gewesen. Wieso aber, fragte ich mich, war ihr das Zimmer so seltsam vorgekommen, vielleicht nur, weil Barbu hier wohnte? An der Wand über dem Sofa baumelte ein billiger schmiedeeiserner Kerzenhalter. Ich erkannte auch die in einer Nische installierte Nachtlampe, das Fenster hatte einer seiner Freunde bemalt, der sich jahrelang um einen Studienplatz an der Architektur beworben hatte und jetzt den Abschluss machte. Auch das wusste ich von Marta.
    Â»Gefällt es dir?«, fragte Barbu. Er hielt die Weinflasche zwischen den Knien und drehte den Korkenzieher hinein. Seit wir eingetreten waren, war er ganz anders, er redete viel und war in ständiger Bewegung, ohne Sinn und Zweck.
    Â»Ja«, antwortete ich und ließ meine Augen über die grellen Farbflächen gleiten, rot und grün. Sie gefielen mir nicht, aber ich war mir sicher, das lag nur an meiner Unkenntnis in Sachen moderne Malerei; sofort plagte mich mein Gewissen, dass ich auch hier einiges nachzuholen hatte.
    Seine Aufregung erschien mir unsinnig, ich sah nichts Besonderes in meinem Besuch, außer dem fremden Zimmer, das ich verstohlen in Augenschein nahm. (Von Mutter wusste ich, es gehört sich nicht, dass man sich zu neugierig umschaut, wenn man eine Wohnung zum ersten Mal betritt.)
    Â»Und wie geht es Marta?«
    Ich erriet seine Worte mehr, als dass ich sie hörte, sie wurden vom Geplätscher des Wassers übertönt. Er war zu dem Waschbecken in der Ecke gegangen und spülte zwei Gläser.
    Â»Ich glaube, es geht ihr jetzt gut«, antwortete ich und verzog leicht das Gesicht.
    *
    Ich fand es ärgerlich, dass wir immer zuerst von ihr sprachen, wie damals beim ersten Mal, als wir uns zufällig in der Bibliothek begegnet waren. Es war kurz nachdem zwischen ihnen alles aus war, ich hatte es gemerkt, noch bevor Marta davon erzählte. Sie wartete Samstag abends nicht mehr auf ihn, sie ging nicht mehr zu Vorlesungen oder Seminaren, nur durch gutes Zureden war sie dazu zu bewegen, einmal am Tag mit essen zu gehen. Sie lag in dem langen fadenscheinigen Morgenmantel mit angezogenen Knien auf dem Bett, die Haare fielen ihr ins Gesicht, nur manchmal, wenn sie uns lachen hörte, fuhr sie auf und musterte uns mit verstörten Augen voller Misstrauen aus dem Verdacht, sie wäre der Grund des Gelächters.
    Â»Es tut mir leid«, sagte mir Barbu damals.
    Ich hatte ihm einiges von ihr erzählt und ihm eine Versöhnung nahegelegt. Er wirkte verbittert, eine leichte Röte war in seine Wangen gestiegen, und er wandte seinen Blick ab. Hätte ich lieber den Mund gehalten, sagte ich mir, senkte ebenfalls den Blick, weil ich nicht wusste, was ich tun sollte, und kratzte mit der Schuhspitze über den Beton. Es war anmaßend gewesen, ihn

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