Der gleiche Weg an jedem Tag
spazieren gingen, begann er von seinem Vater zu erzählen, wie sie ihn verhaftet haben, gleich nachdem er selbst zum Studium zugelassen worden war, wie er in all den Jahren hat denken müssen, er fliegt, wenn irgendeine Anzeige kommt, und dass er keinen Anspruch auf ein Stipendium hat ⦠Du kannst dir vorstellen, dass ich ihm da nichts mehr sagen konnte, und nachher dann â¦Â«
So muss es gewesen sein, dachte ich mir, da war so viel Platz für einen Neuanfang, denn Marta hatte ihn ja gar nicht auf Anhieb gemocht. Dann aber aÃen sie beide mit ihrer Essensmarke, anfangs je einen Gang, dann, als sie sich daran gewöhnt hatten, nahmen sie ein paar Teller mehr und teilten alles, auch den Nachtisch. Später blieben Marta und ihr neuer Freund, weil es kalt geworden war, beide noch im Aufenthaltsraum, der von den Stimmen der Männer dröhnte, die ungeduldig an der Tür warteten, und vom Geflüster der Eltern rauschte, die verunsichert auf einer Stuhlkante saÃen, die mitgebrachten Pakete fest im Griff. Dort habe ich ihren Neuen auch gesehen, er war viel gröÃer als sie, das Kraushaar an den Schläfen war schütter, und bis in den Winter hinein trug er einen an Ãrmeln und Taschen abgewetzten Trenchcoat.
Deshalb fand ich es ärgerlich, dass Barbu mich bei jeder Begegnung zuerst fragte, wie es Marta ging. Als würde er jedes Mal unser erstes Gespräch rekapitulieren, um sich dahinter zu verstecken. Ich antwortete immer trockener, gereizter, weil ich dahinter Verlogenheit vermutete. Wieso ich meine eigene nicht bemerkte, weià ich nicht, ich wunderte mich nur, dass ich keinerlei Gewissensbisse hatte. So einfach ist es also, Böses zu tun, sagte ich mir und verdrängte die Einsicht, dass mich manchmal, wenn ich an Marta dachte, eine warme Siegesgewissheit überkam.
*
»Morgen muss ich ihn zurückbringen, darum habe ich auch darauf bestanden, dass du jetzt kommst«, sagte Barbu. Er kniete auf dem FuÃboden vor dem Plattenspieler und balancierte die schwarz geriffelte Platte sorgfältig auf gespreizten Fingern.
»Sieh zu, dass das Ding nicht unter dir zusammenkracht, das eine Bein ist kaputt, darum hat die Tante es mir auch überlassen«, lachte er, als er das Knarren hörte.
Sofort stand ich von dem geflickten und befleckten dreibeinigen Sessel auf und setzte mich mit einem untergezogenen Bein aufs Sofa.
»Gefällt dir diese Musik?« Er schob die Platte in die abgenutzte bunte Hülle mit dem Foto eines dicken Schwarzen, der ein Instrument spielte, von dem ich nicht genau wusste, ob es ein Saxophon war oder eine Trompete.
»Ja«, antwortete ich mit einer Stimme, die nicht sehr überzeugt klang.
Ich lieà den Kopf auf die Lehne des Sofas zurücksinken und betrachtete unter hängenden Lidern die verräucherte Decke. Der Wein fuhr mir auf merkwürdige Weise in die Glieder, ich lächelte ergeben vor Glück. Diese Melodien hatte ich noch nie gehört, weder aus unserem Telefunken zu Hause, noch wenn ich mit den Mädels tanzen war. Ich sah mich unverhofft an der Schwelle zu der anderen Welt, die ich schon so lange betreten wollte, nur brachte ich die Namen der Sänger durcheinander, auÃerdem war dies der erste Plattenspieler, den ich unmittelbar vor mir sah. Weiter sagte ich nichts, damit Barbu von meiner Unwissenheit nichts mitkriegte.
»Ich lege dir jetzt noch den Aznavour auf«, sagte er und setzte die Nadel auf den Plattenrand. »Die habe ich alle von einem Kommilitonen, einem Bonzensohn. Seinen Vater haben sie jetzt kleingemacht, aber das Haus solltest du sehen, in bester Lage ⦠mit Schwimmbecken â¦Â«
Das Grinsen, das seinen kleinen Mund in die Breite gezogen hatte, war auf halbem Wege erstarrt. Ich versuchte meinen Blick von allem anderen freizuhalten und nur das Staunen darin zu bewahren in der Annahme, er fände Gefallen daran. Eigentlich begriff ich nicht, wozu man ein Schwimmbecken zu Hause braucht. In dem Brief, den ich am Vortag bekommen hatte, teilte Onkel Ion mir mit, dass er wieder vorgesprochen habe und dass ihm eine Zweizimmerwohnung zugeteilt worden sei, die einzig verfügbare. Dennoch äuÃerte Onkel Ion sich sehr zufrieden, er meinte, seine einzige Sorge sei, ob sie da auch wirklich einziehen könnten, es habe Fälle gegeben, wo die Leute trotz der Zuteilung vor der Tür geblieben waren. Und diese Wohnung war noch belegt.
»So ist das«, sagte Barbu;
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