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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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ein paar Meter weiter stehen und begutachteten uns gegenseitig – kein freudiger Anblick. Die Kleider waren verrutscht, die Haare wirr, die Alleen waren lang und öde, und die plötzliche Stille verunsicherte uns. Wir richteten uns her, so gut es ging, und folgten zögerlich dem Klang der Musik, die zu uns herüberschallte.
    Weil der Herbst anhielt, wurde noch draußen getanzt, zwischen den langen Petunienrabatten und anämischen Springbrunnen aus verrottetem Metall. Im Licht der Glühbirnen glänzten die im alten Saft stehenden Blätter, und von den Mauern hingen rote Efeuranken.
    Plötzlich stoppte jemand die Musik, und im ohrenbetäubenden Rauschen und Knacken der Verstärkeranlage wurde gezählt: eins, zwei, drei, vier. Pfiffe und heisere Schreie fuhren von allen Seiten dazwischen, dann konnten wir einen Augenblick lang unser Flüstern und das Schleifen der Schritte hören. Darauf ging es dröhnend weiter, Buona sera, signorina, buona seraaa  – an der Sicherheit der Bewegungen und am grundlos lebhaften Lachen war vorab zu erkennen, ob eine an diesem Abend ständig aufgefordert werden würde oder nicht.
    Â»Lasst uns abhauen, dieser Idiot macht mich verrückt, ich werd ihn nicht mehr los«, bettelte eine, die sich offenbar belästigt fühlte.
    Manchmal willigten wir ein, zu dritt oder viert oder fünft, wenn wir annahmen, dass der Abend, der schlecht begonnen hatte und jetzt irgendwie auch schon wieder zu Ende war, in einer anderen Ecke des Hofs von vorn beginnen könnte. Dann schlängelten wir uns während des Tanzes zwischen den Paaren hindurch, lachten dabei, als täten wir etwas Verbotenes, und blieben erst in der gegenüberliegenden Ecke stehen. Eng zusammengedrängt schielten wir nach den Gesichtern um uns herum, setzten zum Reden an, man konnte sich aber kaum verständlich machen, so dass die Satzanfänge zwischen uns in der Luft hängen blieben. Gleichzeitig taten wir, als merkten wir nicht, wie die Jungs uns mit ihren Blicken maßen und dann links liegen ließen. Auch sie standen zu zweit oder zu dritt herum, die Hände in die Hosentaschen vergraben oder am Rücken verschränkt. Sie hatten sich feucht gekämmt, und ihre Wangen glühten noch von der scharfen Rasur. In den Pausen zündeten sie ihre Zigaretten an, einer erzählte was, und alle bogen sich vor Lachen. Dann traten sie wieder heran und sahen sich forschend um, als suchten sie jemand Bestimmtes.
    Â»Das ist der, der die Sanda angemacht hat«, zischte eine von uns und tänzelte, um sich besser ins Licht zu setzen.
    Wir wandten uns nach der anderen um, die in einer dunkleren Ecke ins Gespräch vertieft war und nicht mit uns zurückkehren würde an diesem Abend.
    Â»Nichts als komische Fressen … Gehen wir doch«, bettelte eine andere, die bei den letzten Tänzen allein am Rand zurückgeblieben war.
    Niemand ging auf sie ein, also schwieg sie und umklammerte mit beiden Händen den Griff der Handtasche, die sie vor sich hielt, als wollte sie sich schützen. Als die Pause zu Ende ging, schlug sie plötzlich den Blick nieder. So verharrte sie, weil sie wusste, was jetzt folgte, Voolaare  – die hatten dasselbe Band noch einmal eingelegt. Sie wusste auch, welcher Mann sich unserer Gruppe nähern würde, sie wusste es, noch bevor er sich auch nur andeutungsweise entschlossen zeigte, als er noch einmal an der Zigarette zog und sie, nur zur Hälfte geraucht, fallen ließ und unter der Schuhsohle austrat, während er einen Knopf seiner Jacke schloss und die verrutschte Krawatte zurechtrückte. Sie hielt den Blick weiterhin gesenkt, er trat ein paar Schritte an uns heran, jetzt, wisperte sie nur für sich, jetzt, ihr Herzklopfen übertönte die dröhnende Musik, und mit gesenkten Augen wusste sie, dass die andere neben ihr lächelt und nickt und die beiden losschlendern, sich in dem Gedränge ein Plätzchen zu suchen, und wie er sagt: »Sind Sie auch in Biologie?« Oder: »Zu viele Leute hier heute Abend, sonst …«
    Plötzlich gestand sie sich ein, dass sie gewusst hatte, dass es so kommen würde. Mit gesenktem Blick spürte sie, wie auch die anderen Männer näher kamen, und schließlich hob sie den Kopf. Ihre Gesichtszüge waren starr, die Augen funkelten heftig, aber in dem Dunkel um diesen metallenen Wasserspender sah man nichts als ihren schiefen Haarknoten. Sie

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