Der globale Eingriff
Ebensogut könnte sie von den Oberen geschützt werden, und ich könnte Befehle bekommen, die ganze Sache zu vergessen. Aber dagegen steht die Tatsache, daß ich nicht versuche, ihr irgend etwas nachzuweisen, sondern einzig versuche, ihr direkt oder auf Umwegen eine Nachricht über den Jungen zukommen zu lassen.
Ich verspreche immer noch nichts“, fügte der Sergeant hinzu, „aber ich glaube inzwischen eher daran, daß ich eventuell etwas versprechen könnte.“
„Apropos Versprechungen“, sagte Ann, während sie hereinkam und eine ausgebeulte weiße Plastiktüte auf den Seitentisch legte, „die Annahmeschwester hat ihres gehalten. Mr. Heskeths Sachen sind angekommen.“
4 Fallstudie
Wegen der großen Anzahl von Menschen, die täglich durch Gewalt, Seuche, Hunger, Kälte und Selbstmord ums Leben kamen, wurde jedem Bürger gesetzmäßig das Recht gegeben, seine letzten Worte aufzuzeichnen. Die kleinen Aufnahmegeräte wurden umsonst an jeden, der sie verlangte, verteilt und für die anderen – jene, die sogar in diesen unglaublich gewalttätigen Zeiten daran glaubten, daß sie ewig leben würden – war gewöhnlich eines erreichbar, das die Polizei, die Ärzte, Mitarbeiter oder Passanten stellten. Sie waren so verläßlich, wie es kleine elektronische Geräte sein können, was in diesem nachtechnologischen Zeitalter nicht viel hieß, und wertvoll. Aber die Allgemeinheit, selbst die übelsten Verbrecher darunter, hatte eine beinahe abergläubische Angst davor, sie zu stehlen oder zu mißbrauchen, da sie der sicherste Besitz waren, den ein Bürger haben konnte.
Der Patient Hesketh, das wurde schnell klar, hatte bereits seit Jahren Übertragungskassetten, gestohlen oder zumindest widerrechtlich in seinen Besitz gebracht und sie auch mißbraucht. Der Patient Hesketh war nicht abergläubisch …
„Ich denke mir, er würde zugeben, daß er die Dinger mißbraucht hat“, sagte Malcolm, nachdem der Sergeant einige Auszüge aus den ersten Kassetten abgespielt hatte. „Ich kann mir keinen größeren Mißbrauch einer Ükass vorstellen. Er hat sie tatsächlich für seine Lieblingsmusik und Erinnerungen an seine tote Frau benutzt. Aber er hat sie nicht gestohlen. Für ihn waren sie Bezahlung des Blockarztes für geleistete Dienste.“
„Aber der Doktor wußte, was los war“, sagte der Sergeant. „Das erklärt Heskeths Sorge, daß sein medizinisch gebildeter Freund in Schwierigkeiten kommen könnte. Wir müssen es mit einer anderen Kassette versuchen. Er hat immer noch nichts über das Massaker gesagt.“
„Was für ein Massaker?“
„Ich bin nicht befugt, Ihnen das zu sagen“, sagte Telford grimmig, „aber hören Sie zu, Sie könnten es erfahren.“
Hesketh war so einsam gewesen, wie ein achtzig Jahre alter Witwer in einem viertausendräumigen Wohnblock nur sein konnte, und das war tatsächlich sehr einsam. Trotz seiner ständigen Versuche, Freunde zu gewinnen oder Leuten mit kleinen Arbeiten zu helfen, hatte niemals jemand mehr als ein paar Worte zu ihm gesagt – und das waren noch nicht einmal sehr höfliche Worte.
Die Menschen waren von ihrem allabendlichen Kampf durch die Stoßzeit zu müde und verstört, und sie hatten vor der Stromsperre zu wenig Zeit für sich, um sie durch ein Gespräch mit einem pensionierten Nichtsnutz zu verschwenden. Die Pappschachteln, in denen sie lebten, waren sowieso zu klein und die Nahrung zu knapp, um Besucher zu empfangen, die nicht zur Familie gehörten. Tagsüber war die Zahl der Menschen im Block zusammengeschrumpft auf die Leute, die für die Energieversorgung verantwortlich waren, und jene, die wegen Krankheit oder fortgeschrittener Schwangerschaft von der Arbeit entschuldigt waren – aber diese würden aus Angst vor Angriff und Raub natürlich niemals einen Fremden in ihre Wohnung lassen.
Doc Menzies, der Blockarzt, war seit über einem Jahr der erste, der überhaupt mit ihm gesprochen hatte. Es war im dreiundzwanzigsten Stockwerk. Der einzige Unterschied zu Heskeths eigenem Stockwerk bestand darin, daß einige frischgraduierte Erwachsene irgendwann am Abend vorher auf Tour gegangen waren und die meisten Türschilder abgerissen hatten. Ein Resultat davon würde eine Menge Reibereien sein, und wahrscheinlich würde es sogar Kämpfe geben, wenn am Abend die hungrigen Mieter von ihrer Arbeit zurückkamen und nicht sofort ihre eigenen Räume erkennen konnten. Was den Blockarzt beschäftigte, war ein weniger offensichtliches Problem. Der Doktor sprach
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