Der globale Polizeistaat
in transnationale Netzwerke des Terrorismus eingewebt, versagt das traditionelle Polizeirecht auch, weil es davon ausgeht, Gefahren könnten dort bekämpft werden, wo sie auftreten. Transnationale Risiken lassen sich nur - wenn überhaupt - im transnationalen Verbund lösen.«
Es ist dasselbe Problem wie mit Breininger: Man weiß nicht, was als Nächstes passieren wird, und man weiß schon gar nicht, wo. Es gibt, würden Juristen sagen, keine Tatsachengrundlage, die eine Prognose zulässt. Folglich bleibt die Polizei gelähmt. Andererseits scheint es inakzeptabel, die Sicherheitskräfte so lange abwarten zu lassen, bis wirklich etwas passiert, bis sich
beispielsweise ein Flugzeug mit einem Passagier namens Breininger Deutschland nähert. Denn wenn erst die Alarmrotten der Bundeswehr aufsteigen müssen, könnte es zu spät sein.
In dieser Situation erschallte der ultimative Befehl des amerikanischen Präsidenten vom Weißen Haus in alle Welt: »Don’t ever let this happen again«. Im Berliner Innenministerium übersetzten sie es als »neue Prävention«. »Neue Prävention« heißt, die Polizei zu schicken, bevor etwas passieren kann - und dafür die Rechtsgrundlagen zu schaffen: Ein Recht, das nicht auf Tatsachen angewiesen ist. Der Frankfurter Verfassungsrechtsprofessor Günter Frankenberg sieht ein »hyperpräventives Sonderpolizeirecht« gegen den Terrorismus sich entwickeln, das »über den Rahmen des herkömmlichen Polizei- und Ordnungsrechts weit hinausgreift und einer anderen Logik folgt.«
Es ist die amerikanische Logik, die den Schutz vor Terrorattacken als Abwehr des Feindes betrachtet, als Krieg. Denn ist es nicht mit Eric Breininger wie mit denen, die Carl Schmitt als »Feind« kennzeichnete? Man verfolgt sie nicht wegen ihrer Untaten oder weil sie Gefahren verursachen, sondern weil sie Feinde sind: Eine Bedrohung durch ihre Existenz, ihre latente Gefährlichkeit, die sich gerade darin manifestiert, dass sie sich vielleicht überhaupt nicht manifestiert. Die Situation ist tatsächlich der des Krieges vergleichbar: Da werden Maßnahmen gegen den Feind ja auch nicht an tatbestandsmäßige Voraussetzungen von Gesetzen geknüpft. Frag mal einen Soldaten auf dem Schlachtfeld, welche Tatsachengrundlage er seinem Granatenwurf zugrunde legt. Frag mal einen General nach der Rechtsgrundlage für seine Befehle. Carl Schmitt sagt, die Entscheidung darüber, wer Feind ist, sei eine politische, keine rechtliche. Da hat er recht. Doch sollen wir daraus folgen, dass die Entscheidung, Breininger als Feind zu betrachten, keiner Rechtsgrundlage bedarf? Soll der Oberbefehl des Machthabers Schäuble reichen, ihn in Isolationshaft zum Beispiel nach Guantanamo zu bringen?
So weit kann der Staat des Grundgesetzes nicht gehen, und der Minister Schäuble ist ein viel zu gewissenhafter Mann, um so
dunkle Ideen zu verfolgen wie der frühere amerikanische Präsident Bush. Doch daraus folgt nicht, dass es nicht trotzdem dazu kommen könnte. Und das fatale Muster findet sich jetzt schon im Recht der Neuen Prävention.
»Der Terrorismus fügt sich nicht«
Wieder Carl Schmitt - Der Innenminister erklärt den Rechts-
staat - Polizei im Wettkampf - Wartime Power für Angela
Merkel? - Warum der Gürtel!
Der erste Schritt der deutschen Rechtsordnung in den globalen Polizeistaat ist die Erfindung des »erweiterten Sicherheitsbegriffs«. Er basiert auf Wolfgang Schäubles Erkenntnis, angesichts der Terrorgefahr lasse sich »die bisherige Trennung von innerer und äußerer Sicherheit oder in Kriegszustand und Friedenszeit nicht länger aufrechterhalten«. Die Konsequenz: »Wenn Deutschland ein sicheres Land bleiben« solle, brauche man »in einer Welt der Globaliserung integrierte Ansätze«. Überspitzt ließe sich zusammenfassen: Wir können uns den Rechtsstaat angesichts des transnationalen Terrorismus nicht mehr leisten. Denn der Rechtsstaat lebt von klaren Grenzen der Staatsmacht, von klaren begrifflichen Grenzen der Gesetze, er lebt von der sicheren Trennung von Krieg und Frieden. Wir aber brauchen unbegrenzte Vollmachten, weil diese Grenzen verschwunden sind.
Der Innenminister versuchte daher in einer Rede, die er im Herbst 2007 ausgerechnet vor Richtern des Bundesverfassungsgerichts hielt, den Rechtsstaat neu zu deuten: »In der modernen Rechtsstaatlichkeit ist die Herrschaft des Rechts untrennbar mit der Durchsetzung des Rechts verknüpft. Ohne Durchsetzung des Rechts - unter Einsatz des staatlichen Gewaltmonopols -
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