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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Darnstädt
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gegen politische Unterdrückung und staatliche Überwachung gedichtet wurde: »Die Gedanken sind frei. Wer kann sie erraten?«
    Wir brauchen: Die jahrelang hinhaltende Kritik einiger Politiker gegen die Lizenz zum Schnüffeln für die Polizei wurde immer wieder nach demselben Muster plattgemacht. Da musste sich der sächsische SPD-Landesvorsitzende Thomas Jurk, der mit Verweis auf ein Juso-Votum Widerstand seiner Partei gegen solche Pläne im Bundestag ankündigte, vom Landesgeneralsekretär der CDU anhören: »Herrn Jurk sind die pubertären Beschlüsse irgendwelcher Jungsozialisten wichtiger als die innere Sicherheit Deutschlands.« Wer wird noch den Mut haben, Bedenken anzumelden, wenn die Pläne Gesetz werden, die bereits Ende 2008 auf der Wunschliste der Terrorbekämpfer stehen: »Internierung von Terrorverdächtigen, Internetverbot, Handyverbot für Gefährder, Tötung von Topterroristen«: So umschreibt kritisch der Sicherheitsexperte und Exjustizstaatsekretär Hansjörg Geiger den schleichenden Wandel von der Gefahrenabwehr zum Krieg.
    »Kein Mensch will die Verfassung verletzen«, betont Schäuble bei seinen Plänen. Wozu auch? Im permanenten Ausnahmezustand löst sie sich von selber auf.

Drittes Kapitel
    Gefährliche Bürger
    Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.
    Von allen berühmten Sätzen bedeutender Bücher ist dies der bedrohlichste. Franz Kafka schrieb den ersten Satz seines Romans Der Prozess am Vorabend des Ersten Weltkrieges 1914. Kafka beschreibt, wie sein Protagonist von einer dunklen Macht in Besitz genommen wird, ohne zu wissen, warum. Nazi-Terror, Stalinismus, Stasi-Spitzelei, all das stand der Welt und der Stadt Prag noch bevor, in der ein hellsichtiger Versicherungsangestellter seine düsteren Visionen in Romanfragmente schrieb.
    »Sie dürfen nicht weggehen, Sie sind ja verhaftet.« -
    »Es sieht so aus«, sagte K. »Und warum denn?«, fragte er dann.
    »Wir sind nicht dazu bestellt, Ihnen das zu sagen. Gehen Sie in Ihr Zimmer und warten Sie. Das Verfahren ist nun einmal eingeleitet, und Sie werden alles zur richtigen Zeit erfahren.«
    Die richtige Zeit wird niemals sein. Auch als Josef K. hingerichtet wird, weiß er nicht, warum dies alles geschieht.
    Polemisch mag es scheinen, die fast hundert Jahre alte Vision einer Welt, der jedes Recht abhanden gekommen ist, mit dem Abbau rechtsstaatlicher Vorkehrungen im Kampf gegen den Terror zu vergleichen. Und doch ist der Vergleich nützlich. »Voraussetzung des Rechtsstaates ist die Idee des rechtsfähigen Subjekts«, sagt Jan Philipp Reemtsma, der Hamburger Gewaltforscher und Philologe. Reemtsma wendet sich mit diesem Satz gegen die Idee, Gefahren mit dem Mittel der Folter abzuwehren. Die Geschichte von Josef K. ist ein Beispiel dafür, wie es in einem Staat zugeht, der, in höflicher Form und ganz ohne Folter, die Idee des rechtsfähigen Subjekts missachtet. Josef K.s Schicksal
wirft Fragen auf, die in der aktuellen Debatte um die Grenzen polizeilicher Prävention zu beantworten sind. Ist es erlaubt, den Blick der Obrigkeit von Gefahren weg und auf gefährliche Personen zu lenken? Ist es möglich, den Respekt vor der Rechtsperson des Bürgers - wie er sich beispielsweise in der »Unschuldsvermutung« des Strafrechts ausdrückt - zu wahren beim Versuch, »Risikopersonen« rechtzeitig am Fassen gefährlicher Pläne zu hindern?
    Die Betrachtung der gegenwärtigen Bemühungen der Terrorbekämpfer, »Gefährder« ausfindig zu machen, lässt Zweifel aufkommen. Kafka vor Augen, fühlen wir uns ermutigt, sehr genau zu untersuchen, nach welchen Kriterien der Staat seine Menschen zu Feinden erklärt.
    Wer also muss damit rechnen, eines Morgens, ohne etwas Böses getan zu haben, als »Gefährder« geführt zu werden? Das Bundeskriminalamt, um Auskunft gebeten, zeigt sich an der Präzisierung seiner Arbeitsgrundlage nicht besonders interessiert. Dies sei, heißt es »ein Begriff aus der polizeilichen Praxis«, juristischer Durchdringung nicht zugänglich. Aber, so die Gegenfrage, was antwortet dann ein Polizeibeamter, wenn vom Betroffenen gefragt wird, warum und nach welchen Kriterien er zum »Gefährder« geworden sei, außer: »Das ist halt die polizeiliche Praxis«? Und wie soll der Betroffene seine Behandlung gar infrage stellen, wenn er gar nicht weiß, worauf es ankommt? »Gehen Sie in Ihr Zimmer und warten Sie. Das Verfahren ist nun einmal eingeleitet. Sie werden

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