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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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Strahlen eines schnell sich umdrehenden Rades. Rings um ihr Haupt waren Metallplatten in die schwarzen Haarflechten gewoben, funkelten im Sonnenschein und bildeten gleichsam eine Sternenkrone um ihre Stirn. Ihr blaues, mit Flittern durchsticktes Kleid flimmerte wie eine Sommernacht mit tausend Sternen. Ihre braunen geschmeidigen Arme knüpften und lösten sich um ihre Gestalt gleich zwei Schärpen. Oh, die glänzende Gestalt löste sich wie etwas Lichtvolles selbst vom Licht der Sonne. – Mädchen, du warst es! –“
    Der Priester schwieg einen Augenblick, von Gefühlen überwältigt. Dann fuhr er fort:
    „Schon halb betäubt, suchte ich mich an etwas anzuklammern, mich im Sturze zu halten. Ich dachte an die Schlingen, die Satan mir schon gelegt hatte. Das Geschöpf vor meinen Augen war so übermenschlich schön, daß es nur vom Himmel oder aus der Hölle stammen konnte. Es war nicht mehr ein Mädchen aus Staub, im Innern durch den schwankenden Strahl einer Frauenseele erleuchtet. Es war ein Engel, aber ein Engel der Finsternis, nicht des Lichtes, sondern der Flammen. Da ich also dachte, sah ich neben dir eine Ziege, ein Tier des Sabbats; die Mittagssonne ließ ihre Hörner im Feuer strahlen. Da glaubte ich die Schlinge des Teufels zu schauen, zweifelte nicht länger, daß du aus der Hölle stammtest und zu meinem Verderben gekommen wärst. Ich glaubte es.“
    Hier sah der Priester der Gefangenen ins Gesicht und fügte kalt hinzu:
    „Ich glaub’ es noch! – Der Zauber aber wirkte nur allmählich; dein Tanz wirbelte mir im Gehirn; ich fühlte, wie das geheimnisvolle Verbrechen an mir vollzogen ward. Jede Kraft, die mich hätte erwecken können, schlummerte in meiner Seele, und gleich denen, die im Schnee erfrieren, fühlte ich Wollust, den nahenden Todesschlaf zu empfinden. Plötzlich hörte ich dich singen. Was sollte ich Unglücklicher beginnen? Dein Gesang war noch entzückender als dein Tanz. Ich wollte fliehen. Es war mir unmöglich. Ich war in den Boden gewurzelt, an ihn genagelt. Es schien mir, der Marmor des Bodens sei meinen Leib hinaufgestiegen. Meine Füße erstarrten, mein Haupt kochte. Endlich empfandest du vielleicht Mitleid mit mir, hörtest auf zu singen und verschwandest. Der Widerschein der blendenden Erscheinung, der Widerhall der bezaubernden Musik entschwanden allmählich meinen Augen und Ohren. Da sank ich in die Höhlung des Fensters, schwächer und starrer als eine umgestürzte Statue. Die Vesperglocke erweckte mich. Ich stand auf, ich floh, aber ach, ich war zu tief erschüttert, mein Inneres war allzusehr aufgewühlt; ich konnte nicht fliehen.“
    Nach einer Pause fuhr er fort: „Von dem Tage an weilte in mir ein zweiter Mensch, den ich bisher nicht kannte. Ich wollte alle meine Mittel gebrauchen, das Kloster, den Altar, Arbeit und Bücher. Vergeblich! Wie hohl schallt die Wissenschaft, wenn ein Haupt voll Leidenschaft – verzweifelnd – an ihre Mauern rennt. Weißt du, Mädchen, was ich stets zwischen dem Buch und mir erblickte? Deinen Schatten, deine lichtvolle Erscheinung, wie sie einst den Raum vor mir durchschritt. Doch dies Bild war düster, gleich den schwarzen Kreisen, welche lange vor den Augen des Unbesonnenen sich hinzuziehen, der starr in die Sonne schaute. Da ich mich nicht losreißen konnte, da ich stets dein Lied in meinem Kopfe summen hörte, stets deine Füße tanzend auf meinem Brevier erblickte, da stets des Nachts deine Gestalt in Träumen über mein Fleisch hinschlüpft, wollte ich dich wiedersehen, dich schauen und berühren wissen, wer du wärst, versuchen, ob ich die Wirklichkeit an dir dem Ideal gleichfände, und so vielleicht meinen Traum vernichten. Gewiß würde, so hoffte ich, ein neuer Eindruck den ersten erlöschen; denn dieser war mir unerträglich geworden. Ich suchte dich auf und sah dich wieder; zum Unglück! Als ich dich zweimal sah, wollte ich dich tausendmal, wollte ich dich stets sehen! – Wie kann man auf dem Abhange der Hölle verweilen? – Da gehörte ich mir nicht mehr an; mit dem Faden, den der Teufel mir um die Flügel geschlungen hatte, fesselte er jetzt meine Füße. Ich irrte, wie du selbst, umher; erwartete dich in den Hallen; erspähte dich an den Kreuzwegen, beobachtete dich von der Höhe meines Turmes. Jeden Abend kehrte ich entzückter, verzweifelter, vom Zauber stets mehr befangen, unglücklicher heim.
    Ich erfuhr, wer du seist. Eine Zigeunerin! Wie konnte ich an schwarzer Kunst zweifeln? Ich hoffte, ein Prozeß würde mich vom

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