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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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Sklave ihr zu Füßen zu sinken! Tag und Nacht in Träumen und Gedanken an sie zu schwelgen und dann zu sehen, wie sich sich in ein Soldatenkleid verliebt! Und ihr nur ein Priesterkleid bieten zu können, vor dem sie schaudert! Wütend aus Eifersucht, war ich gegenwärtig, als sie an einen elenden Pinsel von Prahlhans alle Schätze ihrer Liebe und Schönheit verschwendete! Ich schaute, wie der Leib, bei dessen Form ich entbrenne, wie dein süßer Busen, dein Fleisch unter den Küssen eines andern zitterte und errötete. Oh Himmel! Wenn ich an die Schultern, die braune Haut, die blauen Adern dachte, krümmte ich mich oft auf dem Pflaster meiner Zelle, und alle Liebkosungen, die ich für dich erträumte, führten dich nur zur Tortur! Mir allein gelang es, dich auf das lederne Bett zu strecken! Mein Gefühl empfand die Zangen der Hölle! Glücklich der, den man zwischen zwei Brettern zersägt, den man mit Pferden zerreißt. Kennst du die Qual, die in langen Nächten, kochende Adern, ein zerspringendes Herz, Zähne, die die Hände zerfleischen, erschaffen? Ach, die unerbittlichen Folterer kehren unaufhörlich mit Gedanken der Liebe, Verzweiflung und Eifersucht wieder. Mädchen, übe Gnade! Nur für einen Augenblick. Ach, nur ein wenig Asche für diese Glut! Trockne den Schweiß, der von meiner Stirne rinnt! Habe Mitleid, Mädchen, habe Mitleid!“
    Der Priester wälzte sich im Wasser des Fußbodens und rannte mit dem Schädel gegen die Ecken der steinernen Stufe. Als er erschöpft und keuchend schwieg, wiederholte sie halblaut: „Oh mein Phoebus!“
    Der Priester schleppte sich zu ihr auf den Knien.
    „Ich flehe dich an! Bist du nicht ohne Herz, so stoße mich nicht zurück! Ich liebe dich! Ich bin mehr als elend! Unglückliche, sprichst du den Namen, dann ist es mir, als würden die Fibern meines Herzens unter deinen Zähnen zerrieben. Gnade! Stammst du aus der Hölle, so gehe ich dorthin mit dir; die Hölle ist mein Paradies, erblicke ich dich dort; dein Anblick entzückt mich höher als der Anblick Gottes! Sprich! Du willst nicht! Ich wähnte, am Tage, wo ein Weib solche Liebe verschmähte, müßten sich Berge bewegen. – Oh, wenn du wolltest! Wie glücklich könnten wir sein. Wir fliehen! Wir wählen uns den Ort auf der Erde, wo die schönste Sonne scheint, wo die schönsten Bäume blühen, und wo der Himmel stets heiter bleibt. Wir wollen uns lieben, unsere Seelen ineinander gießen, mit unauslöschbarem Durst, unaufhörlich aus dem nie versiegenden Becher der Liebe schlürfen!“
    Sie unterbrach ihn mit lautem, furchtbarem Lachen. „Seht doch, Vater! Blut fließt aus Euern Nägeln!“
    Einige Augenblicke war der Priester versteinert und heftete sein Auge starr auf die Hand. „Ja“, begann er endlich mit sonderbar sanftem Tone, „beschimpfe mich, spotte meiner! Aber komm, komm! Eile! Morgen, sage ich dir. Du kennst den Galgen des Grèveplatzes. Er ist bereit. Wie furchtbar! Du auf dem Karren! Gnade! – Noch nie habe ich es so empfunden, wie sehr ich dich liebe. – Oh, folge mir! Du kannst mich lieben, wenn ich dich gerettet. Du kannst mich hassen, wenn du willst! Aber komm. Morgen! Morgen! Der Galgen, dein Tod! – Rette dich! Schöne meine!“
    Wild ergriff er ihren Arm; er wollte sie fortschleppen. Sie blickte ihn starr an. – „Wo ist mein Phoebus?“ – „Ach!“ rief der Priester, „du bist ohne Mitleid!“ – „Wo ist mein Phoebus?“ wiederholte sie kalt. – „Tot.“ – „Tot!“ sprach sie erstarrt und unbeweglich: „Warum wollt Ihr, daß ich lebe?“
    Er hörte nicht. – „Ja“, sprach er zu sich selbst, „er muß tot sein. Die Klinge drang tief ein; ich glaube, das Herz berührte ich mit der Spitze. Oh, ich fühle durch und durch selbst mit der Spitze des Dolches!“
    Wie eine Tigerin erhob sich das junge Mädchen und stieß ihn mit übernatürlicher Kraft an die Stufen der Treppe. – „Fort, Ungeheuer! Mörder! Laß mich sterben! Unser Blut sei ein ewiger Flecken an deiner Stirn! Dein sein! Nie, nie! Nichts wird uns vereinen, selbst nicht die Hölle! Sei verflucht! Nie!“ Der Priester taumelte zur Treppe. Schweigend löste er seine Füße aus den Falten seines Kleides, nahm seine Laterne und stieg langsam die Stufen hinan, die zur Tür führten. Er öffnete sie und ging. Plötzlich sah das Mädchen, wie sein Haupt über dem ihrigen wieder erschien; furchtbar war sein Ausdruck, und sie vernahm den röchelnden Ruf: „Ich sage dir, er ist tot!“
    Sie fiel mit dem Antlitz zu

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