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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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Zauber retten. Eine Hexe hatte Bruno d’Ast bezaubert, er ließ sie verbrennen und ward geheilt. Ich wußte dies und wollte das Mittel versuchen. Anfangs ließ ich dir nur den Platz vor Notre-Dame verbieten; denn ich hoffte, dich zu vergessen, wenn du nicht wiederkehrtest. Du kehrtest dich nicht daran und erschienst dort aufs neue. Da wollte ich dich entführen und versuchte es eines Nachts. Wir hatten dich schon, als der schändliche Offizier kam und dich befreite. Da begann mein Unglück, deines und seines. Endlich, da ich nicht mehr wußte, was ich tun und was aus mir werden sollte, gab ich dich bei dem Offizial als Hexe an und hoffte, wie Bruno d’Ast geheilt zu werden. Auch hegte ich ein dunkles Gefühl, der Prozeß werde dich meinen Händen überliefern; im Gefängnisse wärst du mein, dort konntest du mir nicht entschlüpfen, ich besäße dich, wie du so lange mich besaßest. Tut man Böses, so darf man nicht einhalten. Das wäre Wahnsinn! Das höchste Verbrechen schafft Wahnsinn der Freude. Ein Priester und eine Hexe, die sich auf dem Strohbündel des Kerkers vereinigen.
    Darum zeigte ich dich als Hexe dem geistlichen Gericht an. Damals erschreckte ich dich, wenn ich dich antraf. Der Plan, den ich spann, der Sturm, den ich über deinem Haupte ansammelte, entfuhr mir in Drohungen und Blitzen. Doch ich schwankte. Mein Plan zeigte mir furchtbare Seiten, vor denen ich schauderte.
    Vielleicht hätte ich auf meinen scheußlichen Gedanken verzichtet, vielleicht wäre er in meinem Gehirn vertrocknet, ohne Früchte zu tragen. Stets, dachte ich, werde es von mir abhängen, den Prozeß zu verfolgen oder fallen zu lassen. Doch jeder böse Gedanke ist unerbittlich und bestrebt, zur Tatsache zu werden; und da, wo ich mich allmächtig glaube, ist das Verhängnis mächtiger als ich. Ach, ach, das Verhängnis ergriff dich, überlieferte dich den furchtbaren Rädern der Maschine, die ich im Dunkel baute. Höre, jetzt bin ich dem Ende nahe.
    Einst sah ich an einem sonnigen Tage einen Mann vorübergehen, der deinen Namen lachend aussprach, und dem Wollust aus den Augen blickte. Verdammung! Ich folgte ihm. Du kennst den Erfolg.“
    Er schwieg. Das Mädchen konnte nur ein Wort aussprechen: „Oh mein Phoebus!“
    „Nenne den Namen nicht“, sprach der Priester und drückte heftig ihren Arm. „Sprich ihn nicht aus! Wir Unglücklichen! Der Name stürzte uns alle miteinander ins Verderben! – Oder nein! Wir stürzten uns alle miteinander ins Verderben durch das unerklärbare Spiel des Verhängnisses! – Du leidest Schmerz; nicht wahr? – Dich friert; du erblindest im Dunkel; ein Gefängnis umschließt dich; aber in deinem Innern strahlt noch Licht, wenn es auch nur die kindliche Liebe für den albernen Menschen ist, der dein Herz besitzt. Meinen Kerker trage ich in der Brust, in mir ist Winter, Eis, Verzweiflung; Nacht herrscht in meiner Seele. Ahntest du, wie ich litt? Bei deinem Prozeß war ich gegenwärtig und saß auf der Bank des Offizials. Unter einer Priesterkapuze krümmte sich ein Verdammter. Gegenwärtig war ich, als du hereingeführt, gegenwärtig, als du verhört wurdest. Mein Verbrechen, meinen Galgen schaute ich auf deiner Stirn. Bei jedem Zeugenverhör, jedem Beweis, jeder Verhandlung war ich gegenwärtig; jeden deiner Schritte auf dem Wege des Schmerzes konnte ich zählen. Dort war ich als das reißende Tier. – Oh! Die Folter hatte ich nicht geahnt. – Höre! Ich folgte dir in die Kammer der Schmerzen. Ich sah dich entkleiden und unter den scheußlichen Händen des Folterers. Ich sah deinen Fuß. Ihn küssen zu können, hätte ich ein Reich hingegeben; mein Haupt würde ich mit Entzücken unter ihm zerschmettern, ich sah ihn im furchtbaren spanischen Stiefel, der die menschlichen Glieder zu blutigem Kot quetscht. Ich Unglücklicher! Während ich dies erblickte, trug ich unter meinem Mantel einen Dolch und zerfleischte damit meine Brust. Als du schriest, stieß ich ihn ins Fleisch! Sieh, die Wunde blutet noch.“
    Er riß sein Priestergewand auf. Seine Brust war wirklich wie von einer Tigerklaue zerfleischt, und in der Seite klaffte eine ziemlich große Wunde! Die Gefangene fuhr schaudernd zurück.
    „Oh!“ rief der Priester, „Mädchen, habe Mitleid mit mir! Du ahnst nicht, was Unglück ist! Ein Weib zu lieben! Zu fühlen, wie man für das geringste Lächeln Blut, Leben, Heil, Unsterblichkeit und Ewigkeit hingeben könnte! Welch ein Schmerz, König, Kaiser, Engel, Gott nicht zu sein, um als ein größerer

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