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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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mein Geld durchgebracht. Meine Mutter wollte mich zum Offizier, mein Vater zum Subdiakonus, meine Tante zum Gerichtsrat, meine Großmutter zum Protonotar des Königs, meine Großtante zum Schatzmeister machen; ich aber bin Landstreicher geworden. Ich sagte dies meinem Vater, der mir seinen Fluch ins Gesicht spie, meiner Mutter, der alten Frau, die zu weinen und zu geifern anfing, wie jenes Scheitholz auf dem Feuerbock. Es lebe die Lust! Ich bin ein wahrer Tollhäusler! Wirtin, meine Liebe, andern Wein!“
    Laut lachend klatschten die Zuhörer Beifall, und als der Student den Lärm noch immer sich steigern hörte, rief er aus: „Oh, welch ein Freudengeschrei! Populi debacchantis populosa debacchatio!“ Dann sang er wie ein Kanonikus die Vesper, wobei sein Auge in Verzückung schwamm: „Quae cantica! Quae organa! Quae cantilenae! Quae melodiae hic sine fine decantantur! Sonant melliflua hymnorum organa, suavissima angelorum melodia, cantica canticorum mira! … Säuferin des Teufels, gib mir Wein!“
    Hier entstand eine Pause, während der die scharfe Stimme des Zigeunerherzogs sich erhob, wie er seine Leute belehrte. „Das Wiesel heißt Aduine, der Fuchs Blaufuß oder Waldläufer, der Wolf Graufuß oder Goldfuß, der Bär Herr Großvater. – Die Mütze eines Gnomen macht unsichtbar und daß man unsichtbare Dinge sehen kann. – Wird eine Kröte getauft, so muß sie rot oder schwarz gekleidet sein, eine Klingel am Hals und am Fuße haben. Der Gevatter hält ihr den Kopf, die Gevatterin das Hinterteil. – Der Teufel Sidragasum läßt die Mädchen ganz nackt tanzen.“
    „Bei der Messe“, unterbrach ihn Jehan, „der Teufel Sidragasum möchte ich sein!“
    Unterdes fuhren die Landstreicher am andern Ende des Saales fort, sich zu bewaffnen. Man brachte Jehan sein Abendessen, er legte die Hand auf den Busen seiner Nachbarin und rief: „Beim heiligen Gesicht von Lucca! Ich bin vollkommen glücklich! Vor mir sehe ich einen Pinsel, der mich mit der gewichtigen Miene eines Erzherzogs betrachtet. Links steht ein anderer, dessen Zähne bis über das Kinn reichen. – Mahoms Bauch! Kamerad, du siehst aus wie ein Trödeljude und setzest dich neben mich. Freund, ich bin von Adel! Handelsstand paßt nicht zum Adelsstand. Pack’ dich! – Holla! Ihr da! Prügelt euch nicht! Baptiste Dieb, du hast eine so schöne Nase und wagst sie gegen die Faust jenes Ochsen. Non cuiquam datum est habere nasum.* – Wahrhaftig, Jacqueline Rotohr, du bist göttlich! Wie schade, daß du keine Haare mehr hast! – Hollah, ich heiße Jehan Frollo, und mein Bruder ist Archidiakonus. Der Teufel soll ihn holen! Alles, was ich sage, ist Wahrheit. Als ich Landstreicher ward, verzichtete ich von ganzem Herzen auf ein im Paradiese gelegenes Haus, das mir mein Bruder versprach. Dimidiam domum in paradiso.** Ich zitiere den Text. Ich besitze ein Lehen, Rue Tirechappe, und alle Weiber sind in mich verliebt, so wahr St. Eloi ein guter Goldschmied war.“

    * Lateinisch: Nicht jedem ist es gegeben, eine Nase zu haben.
**Lateinisch: Ein halbes Haus im Paradiese.
    Unterdessen war Clopin Trouillefou mit der Waffenverteilung zu Ende. Er trat zu Gringoire, der, in tiefes Nachdenken versunken, die Füße auf ein Holzscheit gestützt hatte. „Peter“, sprach der König von Thunes, „woran denkst du?“ Gringoire wandte sich zu ihm mit schwermütigem Lächeln. „Lieber Herr, ich liebe das Feuer, nicht wegen des gemeinen Grundes, weil Feuer unsere Füße wärmt und Suppe kocht, sondern weil Funken sprühen. Bisweilen besehe ich mir stundenlang die Funken und entdecke tausend Dinge in den Sternen, die vom schwarzen Grunde des Herdes aufspringen. Die Sterne da sind Welten.“ – „Donnerwetter, ich verstehe dich nicht! Weißt du, was die Uhr ist?“ – „Nein.“
    Clopin trat zum Zigeunerherzog heran. „Kamerad Matthias, die Zeit ist nicht gut gewählt. Man sagt, König Ludwig sei in Paris.“ – „Ein Grund mehr, ihm unsere Schwester aus den Krallen zu ziehen.“ – „Matthias, du sprichst wie ein Mann. Übrigens wird alles leicht vonstatten gehen. In der Kirche finden wir keinen Widerstand. Die Canonici sind Hasen, und wir sind stark. Morgen sind die Leute des Parlaments geprellt, wenn sie Esmeralda holen wollen. Bei den Gedärmen des Papstes, schöne Mädchen sollen sie nicht henken!“ – Clopin verließ hierauf die Schenke.
    Unterdes schrie Jehan mit heiserer Stimme: „Ich esse, trinke, bin betrunken, bin Jupiter! Peter Totschläger, siehst du

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