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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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Unsere Schwester, wegen Zauberei ungerecht verurteilt, flüchtete sich in deine Kirche. Du schuldest ihr Freistatt und Sicherheit. Der Parlamentshof aber will sie dort ergreifen lassen, und du gabst deine Einwilligung, so daß sie morgen auf dem Grèveplatz gehenkt wird, wenn Gott und die Landstreicher sie verlassen. Bischof, darum kommen wir zu dir. Ist deine Kirche geheiligt, so ist es auch unsere Schwester. Deshalb fordern wir dich auf, uns das Mädchen zu übergeben, willst du die Kirche retten, oder wir nehmen das Mädchen und plündern die Kirche. So wahr dies geschehen wird, pflanze ich hier mein Banner auf, und Gott beschütze dich, Bischof von Paris.“
    Ein Landstreicher reichte Clopin sein Banner, und dieser pflanzte es feierlich zwischen zwei Pflastersteinen auf. Es war eine Gabel, an deren Zacken ein blutiges Stück Luder herabhing. Hierauf wandte sich der König zu seinem Heer, einer wilden Schar, deren Blicke fast ebenso wie die Piken strahlten. Nach einer kleinen Pause rief er aus: „Vorwärts, Söhne! Ans Werk!“
    Dreißig Männer mit viereckigen Gliedern, mit Gesichtern von Schlossern, traten mit Hämmern, Kneipzangen und Brechstangen hervor. Sie traten zum Haupttor, stiegen die Stufen hinan, kauerten unter dem Spitzbogen und arbeiteten an der Tür mit Kneipzangen und Hebeln. Viele Landstreicher folgten, um zuzuschauen und zu helfen. Die zwölf Stufen des Portals waren schnell bedeckt. Die Tür aber hielt. „Teufel, die ist hart und eigensinnig“, sagte einer. – „Mut, Kameraden“, rief Clopin. „Ich wette meinen Kopf gegen einen Pantoffel, Ihr nehmt das Mädchen, entkleidet den Hauptaltar, bevor ein Büttel erwacht. Hört, ich glaube, das Schloß verrückt sich schon.“
    Clopin ward durch einen furchtbaren Lärm unterbrochen, der in dem Augenblick hinter ihm ertönte. Er wandte sich um. Ein ungeheurer Balken fiel von oben herab und zerschmetterte ein Dutzend Landstreicher auf den Stufen der Kirche, sprang auf dem Pflaster mit dem Schall eines Kanonenschiffes in die Höhe und zerbrach noch hier und da die Knie der mit einem Schrei des Schreckens entweichenden Gauner. In einem Augenblick war der enge Vorplatz geräumt. Die von der tiefen Wölbung des Portals geschützten Arbeiter mit Brecheisen verließen das Tor, und Clopin selbst trat in einer achtungsvollen Entfernung von der Kirche zurück.
    „Ich bin dem Balken kaum entwischt“, sprach Jehan. „Ochsenkopf! Ich roch ihn von weitem. Aber Peter Totschläger ist totgeschlagen.“
    Staunen und Bestürzung bemächtigte sich der Banditen beim Niederfallen des Balkens. Einige Minuten lang blickten sie starr in die Luft, erschrockener als über tausend Häscher des Königs. – „Satan!“ brummte der Zigeunerherzog, „das riecht nach Hexerei.“ – „Der Mond schickt uns dieses Scheitholz“, meinte ein anderer. – „Ja, ja“, sagte ein dritter, „der Mond soll ein Freund der heiligen Jungfrau sein.“ – „Tausend Päpste“, rief Clopin, „ihr alle seid Pinsel!“ Den Fall des Balkens konnte er sich aber auch nicht erklären. Oben auf der Fassade, wohin der Fackelschein nicht reichte, konnte man nichts bemerken. Der schwere Balken lag mitten auf dem Vorplatz, und man vernahm das Gestöhn der Unglücklichen, die den ersten Stoß erhalten hatten und deren Glieder zerschmettert waren. Als die erste Bestürzung vorüber war, fand der König von Thunes endlich eine Erklärung, die seinen Gefährten annehmbar schien. – „Gottes Rachen! Verteidigen sich die Pfaffen? Tötet sie! Tötet sie!“
    „Tötet sie!“ rief das Volk mit furchtbarem Gebrüll. Eine Ladung aus Armbrüsten und Hakenbüchsen ward gegen die Fassade geschossen.
    Bei dem Krach erwachten die friedlichen Bewohner der benachbarten Häuser. Mehrere Fenster wurden geöffnet; Nachtmützen und Lichter kamen zum Vorschein. „Schießt auf die Fenster“, rief Clopin. Die Fenster wurden sogleich geschlossen, und die armen Bürger, die kaum Zeit hatten, einen verstörten Blick auf diese Szene des Tumults und Fackelscheins zu werfen, legten sich, vor Angst schwitzend, wieder in ihre Betten.
    „Schlagt tot!“ riefen die Kauderwelschen, wagten aber nicht, näher zu treten. Sie betrachteten die Kirche und den Balken. Der Balken regte sich nicht; die Kirche schien ruhig und einsam. Allein irgend etwas verursachte den Landstreichern Entsetzen.
    „Ans Werk! Brecht die Tür auf!“ rief Clopin. – Keiner wagte einen Schritt. – „Bart und Bauch!“ rief Clopin; „Männer

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