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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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also war die Schenke. Man stieg durch eine niedrige Tür und eine Treppe hinab, die ebenso schwerfällig war wie ein klassischer Alexandriner. Am Tore hing als Schild ein wunderbares Gesudel von neuen Sous und getöteten Hühnern, mit der Inschrift: Zu den Glöcknern für geschiedene Seelen.
    Eines Abends, als überall in Paris die Abendglocke erschallte, ward in der Schenke der Landstreicher mehr als gewöhnlich getrunken und geflucht. Außen standen zahlreiche Gruppen, die sich leise unterhielten, als werde ein großer Entwurf geschmiedet. Hin und wieder wetzte auch ein Schelm seine eiserne Klinge auf einem Pflasterstein. Übrigens bildeten Wein und Spiel in der Schenke selbst eine so bedeutende Abweichung von den Hauptgedanken des Gaunerstammes, daß man nur mit Mühe aus den Reden der Trinker erraten konnte, um was es sich handle. Nur schienen sie froher als gewöhnlich, und bei allen sah man eine Waffe zwischen den Beinen glänzen, ein Faschinenmesser, eine Axt, einen großen Haudegen oder auch eine alte Hakenbüchse. Der große, runde Saal war gedrängt voll.
    Beim ersten Blick konnte man drei Hauptgruppen erkennen, die sich um drei Personen drängten, mit denen der Leser schon bekannt ist. Eine derselben, mit orientalischen Fetzen aufgeputzt, war Matthias Hungadi Spicali, der Zigeunerherzog. Dieser saß mit gekreuzten Beinen auf einem Tisch, hielt einen Finger in die Höhe und verkündete mit lauter Stimme seine Wissenschaft weißer und schwarzer Magie an seine Umgebung, die ihm mit offenem Munde zuhörte. Eine andere Masse drängte sich um unsern alten Freund, den tapfern König von Thunes, der bis an die Zähne bewaffnet war. Clopin Trouillefou ordnete mit leiser und ernster Stimme die Ausleerung einer ungeheuren, vor ihn gestellten und mit Waffen gefüllten Tonne, woraus Beile, Degen, Helme, Schuppenpanzer, Lanzen- und Hellebardenspitzen, wie aus einem Füllhorn Äpfel und Trauben, hervorkamen. Jeder nahm ein Stück, der eine eine Pickelhaube, der andere einen Stoßdegen. Selbst Kinder bewaffneten sich. Endlich bedeckte ein dritter Kreis, der lärmendste, munterste und zahlreichste, Bänke und Tische. In ihrer Mitte sprach und fluchte eine Flötenstimme, die aus einer schweren, vom Helm bis zu den Sporen vollständigen Rüstung hervordrang. Jener Gewappnete verschwand gänzlich unter dem Kriegskleide, so daß man von seiner ganzen Gestalt nur eine freche, etwas aufgestülpte rote Nase und eine blonde Haarlocke, auch zwei kühne Augen und einen roten Mund erblickte. Sein Gürtel war voller Dolche, an seiner Seite hing ein Degen, und über die linke Schulter eine verrostete Armbrust; vor ihm stand ein Weinkrug und rechts neben ihm ein dickes Mädchen mit entblößter Brust. Alle Männer rings um ihn lachten, fluchten und tranken.
    Neben diesen Hauptgruppen erblickte man noch viele kleine. Im Hintergrunde des Saales, die Füße in der Asche, saß ein sinnender Philosoph, Peter Gringoire.
    „Auf! Schnell! Zu den Waffen! In einer Stunde wird der Marsch begonnen!“ rief Clopin seinen Kauderwelschen zu. – „Söhne“, sprach der Zigeunerherzog mit hoher Stimme zu seinen Zuhörern, „die französischen Hexen gehen zum Sabbat ohne Besen, ungesalbt und ohne Böcke zum Reiten, ganz allein mit einigen Zauberworten. Die italienischen Hexen haben stets einen Ziegenbock zu ihren Diensten an ihrer Tür. Alle müssen durch den Schornstein fliegen.“
    Die Stimme des jungen Schelms, der von Kopf bis zu Füßen bewaffnet war, beherrschte den Lärm. „Hussa!“ rief er, „heute ist meine Waffenprobe! Landstreicher! Christi Bauch, ich bin Landstreicher! Schenkt ein! Freunde, ich heiße Jehan Frollo du Moulin und bin ein Edelmann. Brüder, wir werden eine herrliche Tat vollbringen, die Kirche belagern, Türen einschlagen, das schöne Mädchen herausbringen, es vor Priestern und Richtern retten, das Kloster niederreißen, den Bischof in seinem Palast verbrennen, und dies alles in kürzerer Zeit vollbringen, als ein Bürgermeister braucht, einen Löffel Suppe zu essen. Unsere Sache ist gerecht, wir plündern Notre-Dame und damit ist’s vorbei. Wir hängen Quasimodo. Meine Damen, kennt ihr Quasimodo? Habt ihr ihn gesehen, wie er um Pfingsten auf der großen Glocke keucht? Bei meines Vaters Hörnern! Da sollte man ihn nicht für einen Teufel, der auf einem Drachen reitet, halten? – Freunde, hört mich. Landstreicher bin ich mit ganzer Seele, Kauderwelscher von Herzen und als Liederlicher geboren. Ich war reich und habe

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