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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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fürchten sich vor einem Balken!“
    Ein alter Arbeiter mit dem Brecheisen redete ihn an: „Hauptmann, der Balken ärgert uns nicht; die Tür ist mit Eisenbarren verrammelt; Brecheisen vermögen hier nichts.“ – „Womit könnt Ihr sie denn einbrechen?“ – „Nur mit einem Widder.“
    Der König von Thunes lief keck zu dem furchtbaren Balken, stellte den Fuß darauf und rief: „Hier ist einer! Die Pfaffen haben ihn geschickt.“ Dann machte er eine spöttische Verbeugung gegen die Kirche und sprach: „Habt Dank, Pfaffen!“
    Diese Keckheit verfehlte ihre Wirkung nicht; der Zauber des Balkens war gebrochen. Bald stürzte die schwere Masse, von kräftigen Armen gehoben, mit Wut gegen die Tür, die zu erschüttern man schon versucht hatte. Beim Stoß des Balkens hallte die halb metallische Tür wie eine ungeheure Trommel wider. Sie ward nicht erbrochen, allein die ganze Kathedrale bebte, und man vernahm den Nachhall in den tiefsten Höhlungen des Baus. In diesem Augenblick begann ein Regen großer Steine von der Fassade auf die Angreifenden hinabzusinken. – „Teufel!“ rief Jehan, „schütteln die Türme ihr Geländer uns auf den Kopf?“ – Der Antrieb war aber einmal gegeben, der König von Thunes gab das Beispiel. Der Bischof, dachten die Landstreicher, verteidigt sich; sie stießen mit noch größerer Wut an die Tür, obgleich die Steine manchen Schädel zerschmetterten.
    Sonderbarerweise fiel immer nur ein Stein hinab, aber der eine folgte dicht auf den andern. Die Kauderwelschen fühlten immer zwei, einen auf dem Kopfe, einen andern auf den Beinen. Nur wenige verfehlten ihr Ziel, und schon blutete und zuckte eine große Schicht von Toten unter den Füßen der Angreifenden, die in Wut stets aufs neue heranstürzten. Der lange Balken stieß in regelmäßigen Zeiträumen wie der Klöppel einer Glocke; dann regneten Steine und die Tür krachte.
    Es war Quasimodo, von dem dieser unerwartete Widerstand, der die Landstreicher erbitterte, herrührte. Der Zufall war dem tapferen Tauben unglücklicherweise behilflich gewesen. Als er auf die Platte zwischen den Türmen stieg, waren alle Vorstellungen bei ihm verwirrt. Wie wahnsinnig lief er einige Minuten lang auf der Galerie hin und her, als er von oben aus die dichte Masse der Landstreicher bereit sah, sich auf die Kirche zu stürzen. Er flehte zu Gott und zum Teufel, die Zigeunerin zu retten. Er kam auf den Gedanken, den südlichen Glockenturm zu besteigen und die Sturmglocke zu läuten; aber bevor die brausende Stimme der Marie nur einen Schall geben konnte, mußte die Tür der Kirche zehnmal erbrochen sein. In dem Augenblick nahten Arbeiter mit dem Brecheisen. Was sollte er beginnen?
    Plötzlich fiel ihm ein, Maurer hätten den Tag hindurch das Zimmerwerk, die Mauer und das Dach des südlichen Turmes ausgebessert. Dies war ihm ein Lichtstrahl. Die Mauer war von Stein, das Dach von Blei, das Zimmerwerk von Holz (es war dasselbe wunderbare, vielverzweigte Zimmerwerk, welches man den Wald nannte). Quasimodo eilte zu jenem Turm. Die inneren Kammern waren wirklich mit Baumaterial angefüllt. Dort lagen Haufen von Brecheisen, gerollte Bleiplatten, Lattenbündel, starke, schon gesägte Balken und Schutthaufen. Kurz, dort fand sich ein vollständiges Arsenal. Die Gefahr war dringend. Pfähle und Hämmer arbeiteten unten. Mit einer durch das Gefühl der Gefahr verzehnfachten Kraft hob er einen Balken, den schwersten und längsten, in die Höhe, steckte ihn durch eine Luke, packte ihn wieder außerhalb des Turmes, schob ihn über den Winkel des Geländers, das die Platte umringt, und ließ ihn den Abgrund hinabfallen. Das ungeheure Holz schabte die Mauer, zerbrach die gemeißelten Werke, drehte sich im Fall von mehr als hundertsechzig Fuß mehrere Male um, gleich einem Windmühlenflügel, der allein durch leeren Raum fliegt. Endlich berührte er den Boden; ein furchtbares Geschrei erhob sich, und der schwarze Balken, auf dem Pflaster zurückprallend, glich einer ungeheuren, springenden Schlange. Quasimodo sah, wie die Landstreicher beim Sturz des Balkens, wie Asche beim Hauche eines Kindes, auseinanderflogen. Er benutzte ihre Furcht, und während sie einen abergläubischen Blick auf die vom Himmel gesunkene Keule hefteten und die steinernen Heiligen des Portals mit einer Ladung von Schrot und Pfeilen einäugig machten, häufte Quasimodo schweigend Steine, sogar die Mauergeräte, auf den Rand der Balustrade, von wo der Balken schon hinabgestürzt war. Sobald sie an

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