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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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Laterne auf den Boden, kauerte nieder und rief voll Entzücken, indem er Djali mit den Armen umschlang: „Oh, welch ein zierliches Tier, gewiß merkwürdiger wegen seiner Reinlichkeit als wegen seiner Größe, klug, fein und gelehrt, wie ein Schulmeister! Komm, Djali; kannst du deine hübschen Streiche noch machen? Wie macht Meister Jacques Charmol …“
    Der schwarze Mann ließ ihn nicht ausreden; er trat heran und schlug Gringoire derb auf die Schulter. Der Dichter stand auf. „Ach ja“, sprach er, „wir haben Eile; das vergaß ich. – Dies, Meister, ist aber noch kein Grund, die Leute so mit Gewalt zu treiben. – Mein liebes, schönes Kind, Euer Leben ist in Gefahr und auch das Leben Eurer Djali. Wir sind Eure Freunde und kommen, Euch zu retten. Folgt!“ – „Gewiß?“ rief sie bestürzt. – „Ja, ja, kommt schnell!“ – „Recht gern“, stammelte sie; „aber warum spricht Euer Freund kein Wort?“ – „Ach, sein Vater und seine Mutter waren sonderbare Leute und haben ihm ein schweigsames Gemüt gegeben.“
    Sie mußte sich mit dieser Erklärung begnügen. Gringoire faßte sie bei der Hand; sein Gefährte nahm die Laterne und ging voran. Das Mädchen war von Furcht betäubt. Es ließ sich fortführen. Die Ziege folgte hüpfend und so vergnügt, Gringoire wiederzusehen, daß er fast bei jedem Schritt strauchelte, weil sie ihre Hörner ihm zwischen die Beine steckte. „So ist das Leben“, sprach der Philosoph, so oft er dem Falle nahe war; „unsere besten Freunde bringen uns oft zum Sturze.“
    Schnell stiegen sie die Turmtreppe hinab, durchschritten die dunkle, einsame, vom Getöse widerhallende Kirche, deren Schweigen mit dem Lärm draußen einen schrecklichen Kontrast bot, und traten in den Klosterhof durch die rote Tür. Das Kloster war leer; die Priester hatten sich in den Bischofspalast geflüchtet, dort zusammen zu beten; nur einige erschrockene Diener kauerten im Dunkel. Sie schritten zum kleinen Tor, das vom Hofe zum Terrain führte. Der schwarze Mann öffnete mit einem Schlüssel, den er bei sich trug. Sie fanden die Umzäunung gänzlich verödet. Dort herrschte schon weniger Lärm. Das Getöse des Sturmes gelangte gedämpfter und undeutlicher zu ihnen. Man konnte schon ziemlich deutlich das Rauschen des frischen Windes vernehmen, der das Laub des einzigen Baumes auf jenem Terrain bewegte. Dennoch waren sie der Gefahr sehr nahe.
    Der Mann mit der Laterne ging geradeswegs auf den Fluß zu. Im Schatten war eine kleine Barke versteckt. Der Mann gab Gringoire und seiner Gefährtin ein Zeichen, einzusteigen. Ihnen folgte die Ziege; der Mann trat zuletzt hinein, löste das Tau, stieß die Barke mit einer Stange vom Lande, ergriff die zwei Ruder, setzte sich vorn hin und ruderte mit allen Kräften in die Mitte des Flusses. Die Seine ist dort sehr reißend und es kostete viel Mühe, über die Spitze der Insel hinauszugelangen. Als Gringoire in der Barke war, nahm er die kleine Ziege auf den Schoß. Er setzte sich in das Hinterteil, und das Mädchen, das wegen des Unbekannten eine unaussprechliche Angst empfand, setzte sich dicht neben den Dichter.
    Als unser Philosoph merkte, das Schiff bewege sich auf dem Wasser, klatschte er in die Hände und küßte Djali zwischen die Hörner. „Oh“, sprach er, „jetzt sind wir alle vier gerettet!“ Dann fügte er nach einer Pause mit dem Ausdruck des tiefsten Denkers hinzu: „Den glücklichen Ausgang großer Unternehmungen verdankt man bisweilen der List, bisweilen dem Glücke.“
    Langsam glitt das Schiff dem rechten Ufer zu. Das Mädchen betrachtete den Unbekannten mit geheimer Furcht. Er hatte das Licht seiner Blendlaterne sorgfältig verschlossen. Im Dunkel, auf dem Vorderteil der Barke, glich er einem Gespenst. Seine stets niedergezogene Kapuze diente ihm als Maske; so oft er rudernd seine Arme ausbreitete, von denen lange schwarze Ärmel hinabhingen, glichen diese zwei großen Fledermausflügeln. Übrigens hatte er noch kein Wort gesprochen, noch nicht einmal laut geatmet. Im Schiffe herrschte kein anderes Geräusch als das des Hin- und Herbewegens der Ruder, vermischt mit dem Rauschen der Wasserfurche und der Wasserkreise, die das Schiff zog.
    „Bei meiner Seele!“ rief plötzlich Gringoire, „wir sind munter wie Kobolde und still wie Pythagoräer oder Fische! Gottes Ostern! Ich möchte wohl, meine Lieben, daß jemand mit mir spräche – die Menschenstimme ist Musik dem Menschenohre! Nicht ich sage dies, sondern Didymus von Alexandrien,

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