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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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Klausnerin von Tour-Rolland!“ riefen sie mit lautem Lachen, „die büßende Nonne brummt! Hat sie nichts gegessen? Wir wollen ihr etwas vom Büfett der Stadt bringen!“ Und mit den Worten stürzten alle auf das Pfeilerhaus zu.
    Gringoire hatte unterdessen die Verwirrung der Tänzerin benutzt, beiseitezutreten. Das Kindergeschrei erinnerte auch ihn, daß er nicht zu Abend gegessen hatte. Er eilte zum Büfett; aber die kleinen Schelme hatten schnellere Beine als er. Wie er ankam, hatten sie schon aufgeräumt. Gewiß ist es sehr unbequem, ohne Abendessen schlafen zu gehen; aber noch weniger erfreulich ist das Schicksal, nicht zu Abend zu essen und nicht zu wissen, wo man schlafen kann. Mit Gringoire war es so weit gekommen. Kein Brot, kein Bett; Not drängte ihn von allen Seiten. Seit lange hatte er die Wahrheit entdeckt, daß Jupiter, die Menschen in einem Anfall von Menschenhaß erschuf, und daß das ganze Leben des Weisen nur in einem Belagerungszustand hinsichtlich der Philosophie besteht. Er selbst hatte nie eine so vollständige Blockade erfahren, daß das Mißgeschick seine Philosophie mit Hunger angriff.
    Er versank immer tiefer in diese melancholische Träumerei, als ein sonderbarer, aber sehr sanfter Gesang ihn plötzlich aus seinem Sinnen riß. Die junge Zigeunerin sang. Ihre Stimme war wie ihre Schönheit, ihr Tanz, unbeschreiblich bezaubernd; etwas Reines, Tönendes, Ätherisches und sozusagen Beschwingtes; eine fortwährende Ergießung, unerwartete Kadenzen und Melodien, dann einfache, mit scharfen und schrillen Tönen durchwebte Phrasen, Triller, die eine Nachtigall beschämt hätten, aber stets voll Harmonie; weiche, wogende Oktaven, die wie der Busen der Sängerin stiegen und sanken. Die Worte, die sie sang, waren aus einer Gringoire unbekannten Sprache, die sie selbst nicht zu verstehen schien; denn der Ausdruck ihrer Stimme stand mit dem Sinn der Worte in keiner Beziehung. Das Lied der Zigeunerin hatte Gringoire in seiner Träumerei, jedoch wie der Schwan den Wasserspiegel, gestört. In einem Augenblick fühlte er keine Leiden, allein der Augenblick war sehr kurz. Dieselbe Weiberstimme, welche den Tanz der Zigeunerin unterbrochen hatte, unterbrach auch ihr Lied. „Willst du schweigen, Heuschrecke der Hölle!“ rief sie wieder im dunklen Winkel des Platzes. Die arme Heuschrecke hielt inne; Gringoire verstopfte sich die Ohren.
    „Oh!“ rief er, „verfluchte schartige Säge, die du die Leier zerbrichst!“ Auch die anderen Zuschauer murrten wie er: „Zum Teufel die Alte!“ sagte mehr als einer, und die alte Störerin des Festes hätte ihren Angriff gegen die Zigeunerin bereuen können, wäre nicht die allgemeine Aufmerksamkeit durch die Prozession des Narrenpapstes in Anspruch genommen worden, die, nachdem sie viele Straßen und Kreuzwege durchzogen hatte, sich mit allen ihren Fackeln und allem ihrem Lärm auf den Grèveplatz ergoß. Die Prozession hatte sich unterwegs durch alle möglichen Diebe und Vagabunden ergänzt; als sie auf dem Grèveplatz anlangte, bot sie denn auch einen achtbaren Anblick.
    Voran wandelte Ägypten; der Herzog von Ägypten ritt zu Pferde an der Spitze; zu seinen Seiten schritten seine Grafen einher und hielten ihm Zaum und Steigbügel; hinter ihnen kamen Zigeuner und Zigeunerinnen mit kleinen schreienden Kindern auf den Schultern. Herzog, Grafen, Volk, alle waren in Lumpen und Flitter gehüllt. Dann folgte das Königreich Kauderwelsch, d. h. alle Diebe Frankreichs, nach ihren Würden aufgestellt; die niedrigsten wandelten voran. So wandelten sie zu doppelten Paaren, mit den Insignien ihrer verschiedenen Grade der sonderbaren Fakultät geschmückt, vorüber; die meisten hinkten; einige waren bucklig, andere einarmig; man sah eine Menge von den Gestalten Callots, Straßenjungen, Filze, Heuchler, Abgezehrte, Schelme, Spitzbuben, Erzhelfershelfer, Knauser, kurz, die Nennung der Namen würde selbst Homer ermüden. In der Mitte des Konklaves von Erzhelfershelfern und Knausern konnte man kaum den König von Kauderwelsch auf einem kleinen, von großen Hunden gezogenen Wagen unterscheiden. Hierauf folgte das Reich Galiläa. Guillaume Rousseau, Kaiser von Galiläa, wandelte majestätisch in einem von Wein befleckten Purpurrock; Possenreißer gingen ihm voran, prügelten sich und tanzten; er war umringt von Zepterträgern, Helfershelfern und Schreibern seiner Rechnungskammern. Endlich kamen die Parlamentsschreiber, Blumen in den Händen, in schwarzen Kleidern, mit einer Musik,

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