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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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Diane de Christeuil. – „Sie mag sich hüten; denn die Zigeuner kann er nicht leiden“, sagte Fleur-de-Lys. – „Oh, wie schade, daß der Mann da sie so ansieht!“ fügte Amelotte hinzu; „sie tanzt zum Entzücken.“
    „Schöner Vetter“, sagte plötzlich Fleur-de-Lys, „weil Ihr die Zigeunerin kennt, gebt ihr ein Zeichen, heraufzukommen. Das wird uns Vergnügen machen.“ – „Oh ja“, riefen alle jungen Mädchen und klatschten in die Hände. – „Aber das geht nicht“, erwiderte der Phoebus; „sie hat mich gewiß vergessen, und ich weiß nicht einmal ihren Namen. Dennoch, weil ihr Damen es wünscht, will ich’s versuchen.“ – Er lehnte sich über das Geländer und rief: „Kleine!“
    Die Tänzerin rührte in dem Augenblicke nicht das Tamburin; sie wandte den Kopf nach dem Orte, woher der Ruf kam; ihr glänzender Blick fiel auf Phoebus, und sie unterbrach plötzlich ihren Tanz.
    „Kleine!“ wiederholte der Hauptmann und winkte mit dem Finger. Das Mädchen sah noch einmal hin und errötete, als stiege eine Flamme in ihre Wangen. Dann nahm sie ihr Tamburin unter den Arm und ging mitten durch die erstaunten Zuschauer zur Tür des Hauses, wohin Phoebus sie rief; sie wandelte langsamen, wankenden Schrittes, und ihr Blick war verstört, wie der eines Vogels, welcher der Betäubung einer Schlange sich hingibt. Nach einem Augenblick ward der Tapetenvorhang der Tür erhoben, und die Zigeunerin trat rot verlegen, mit niedergeschlagenen Augen ein und wagte keinen Schritt vorwärts zu gehen. Bérangère klatschte in die Hände. Die Tänzerin blieb unbeweglich auf der Türschwelle stehen. Ihre Erscheinung äußerte auf die Gruppe junger Mädchen eine sonderbare Wirkung. Ein unbestimmtes und dunkel gefühltes Verlangen, dem schönen Offizier zu gefallen, beseelte sie sämtlich; seine glänzende Uniform war der Zielpunkt aller ihrer Koketterien, und es herrschte unter ihnen eine geheime Eifersucht, die sie sich vielleicht kaum selbst gestanden, die aber dennoch bei jedem ihrer Worte und in jeder Bewegung sich zeigte. Da sie aber alle in gleichem Maße Schönheit besaßen, kämpften sie mit gleichen Waffen, und jede konnte den Sieg für sich erhoffen. Das Erscheinen der Zigeunerin vernichtete plötzlich dies Gleichgewicht. Sie war von so seltener Schönheit, daß sie im Augenblick, wo sie eintrat, ein eigentümliches Licht um sich zu verbreiten schien. In dem engen Zimmer, in dem düsteren Viereck von Tapeten und Schnitzwerk war sie offenbar noch schöner als auf öffentlichem Platze. Sie glich einer Fackel, die man bei Tageslicht in den Schatten trägt. Die edlen Damen wurden wider Willen geblendet. Jede fühlte sich durch ihre Schönheit verletzt. Auch wechselte ihre Schlachtfront (man verzeihe uns den Ausdruck) augenblicklich, ohne daß irgendeine ein Wort sprach; sie verstanden sich aber vollkommen. Der Instinkt der Frauen verständigt sich schneller und setzt sich schneller in Mitteilung, als der Verstand der Männer. Eine Feindin trat auf; alle fühlten es und vereinten sich. Ein Tropfen Wein genügt, ein Glas Wasser zu röten; um einer Gesellschaft schöner Frauen dieselbe Laune mitzuteilen genügt das Auftreten einer Schöneren – besonders, wenn ein Mann gegenwärtig ist.
    Die Zigeunerin wurde mit eisiger Kälte empfangen. Sie betrachteten sie von oben bis unten, sahen einander an, und dies genügte; sie verstanden sich gegenseitig. Das junge Mädchen wartete, bis sie angeredet wurde, und wagte die Augen nicht aufzuschlagen.
    Der Hauptmann brach zuerst das Schweigen. „Auf mein Wort“, bemerkte er im Tone unerschrockener Albernheit, „das Geschöpf ist reizend. Was meint Ihr, schöne Kusine?“
    Diese Bemerkung, die ein zarterer Bewunderer wenigstens leise gesprochen hätte, war nicht dazu geeignet, die Eifersucht der scharf beobachtenden Damen zu zerstreuen. Fleur-de-Lys antwortete dem Hauptmann mit süßlich gezierter Verachtung: „Sie ist nicht übel gewachsen.“ Die andern flüsterten. Endlich redete Madame Aloise, die nicht die geringste Eifersucht empfand, weil sie diese für ihre Tochter hegte, die Tänzerin an: „Komm heran, Kleine.“ – „Komm heran, Kleine!“ wiederholte Bérangère, die ihr bis an die Hüfte reichte, mit komischem Ernst. Die Zigeunerin ging auf die edle Dame zu.
    „Schönes Kind“, sprach Phoebus mit Nachdruck und trat näher, „ich weiß nicht, ob mir das höchste Glück zu teil ward, von Euch wiedererkannt zu werden …“
    Sie seufzte, erhob ihren Blick

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