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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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voll Sanftmut und unterbrach ihn mit den Worten: „Oh ja.“ – „Sie hat ein gutes Gedächtnis“, bemerkte Fleur-de-Lys.
    „Ja, ja“, begann Phoebus aufs neue, „an dem Abend seid Ihr mit Not entwischt. Ihr fürchtet Euch vor mir?“
    „Oh nein!“ erwiderte die Zigeunerin. In diesem ,Oh nein!‘, welches unmittelbar auf das ,Oh ja‘ folgte, lag ein Ausdruck, durch den Fleur-de-Lys sich sehr verletzt fühlte.
    „Anstatt Euer ließt Ihr mir, meine Schöne“, fuhr der Hauptmann fort, dessen Zunge sich löste, da er mit einem Mädchen von der Straße sprach, „einen sauertöpfischen, einäugigen, buckligen Schelm, ich glaube den Glöckner des Bischofs. Er hat einen verrückten Namen, Aschermittwoch, Ostern, was weiß ich! Kurz, den Namen eines Festes, an dem man läutet! Er war so frech, Euch entführen zu wollen, als wärt Ihr für den Büttel geschaffen! Das war zu stark! Was wollte der Uhu? Nun, erzählt!“
    „Ich weiß es nicht!“ sagte die Zigeunerin.
    „Welche Unverschämtheit! Ein Glöckner will, wie ein Vicomte, ein Mädchen entführen! Ein Bürger spielt den Wilddieb im Gehege der Edelleute! Das ist selten! Übrigens hat er teuer gezahlt. Meister Pierrat Torterue ist der rauheste Stallknecht, der jemals einen Schelm striegelte. Ja, ja, ich kann Euch sagen, wenn Ihr das gern hört, das Fell des Glöckners ging ihm durch die Hand.“ – „Der arme Mann“, sprach die Zigeunerin, der diese Worte die Erinnerung an den Schandpfahl wieder erweckten.
    Der Hauptmann lachte laut. – „Horn des Ochsen! Das Mitleid ist so passend angebracht, wie eine Feder am Hintern eines Schweins! Ich will dickbauchig wie der Papst werden, wenn …“
    Plötzlich hielt er inne. – „Verzeihung meine Damen; ich glaube, beinahe wäre mir eine Dummheit entschlüpft.“
    „Pfui, mein Herr!“ sprach Gaillefontaine.
    „Mit diesem Geschöpf spricht er seine eigentliche Sprache“, fügte Fleur-de-Lys halblaut hinzu; denn ihr Ärger stieg mit jedem Augenblick und wurde auch nicht geringer, als der Hauptmann, entzückt über die Zigeunerin und besonders über sich selbst, auf den Fersen eine Pirouette schlug und mit grober, soldatischer Galanterie ausrief: „Das Mädchen ist schön! Bei meiner Seele!“
    „Recht wild gekleidet“, sagte Diane und wies lächelnd ihre schönen Zähne. Diese Bemerkung war ein Lichtstrahl für die andern. Sie zeigte die angreifbare Seite der Zigeunerin. Da sie auf ihre Schönheit nicht sticheln konnten, fielen sie über ihren Anzug her.
    „Ja, das ist wahr, Kleine“, sprach die Montmichel, „wie kannst du ohne Halstuch und Schleier durch die Straßen laufen?“
    „Der Rock ist unanständig kurz“, fügte die Gaillefontaine hinzu. – „Liebe“, sprach Fleur-de-Lys ziemlich bitter, „dein vergoldeter Gürtel wird dir die Sergeanten auf den Hals laden.“ – „Kleine, Kleine!“ begann die Christeuil mit ihrem unversöhnlichen Lächeln aufs neue, „wenn du so anständig wärst, deinen Arm in einen Ärmel zu stecken, würde er nicht so von der Sonne verbrannt werden.“
    Die Mädchen boten wirklich ein anziehendes Schauspiel für einen klügeren Beobachter als den guten Phoebus. Mit giftigen Zungen umzischelten sie boshaft die arme Kleidung und fuhren in ihren Flittern herum. Endlos war ihr Lachen, ihr Spott, ihre demütigenden Bemerkungen. Spöttereien, hochmütiges Wohlwollen, boshafte Blicke regneten über die Zigeunerin. Sie glichen schönen römischen Damen, die zum Zeitvertreib goldene Nadeln in den Busen einer schönen Sklavin stießen. Sie glichen zierlichen Windhunden, die mit offenen Nasenlöchern und blitzenden Augen eine arme Hirschkuh umschwärmen, die zu verschlingen der Blick des Jägers verbietet. Was konnte auch den Frauen aus edlem Hause die ärmliche Straßentänzerin gelten? Sie schienen auf ihre Gegenwart gar nicht zu achten, sprachen mit ihr über sie selbst in einem wegwerfenden Tone, wie über etwas Schmutziges, allerdings ziemlich Hübsches.
    Die Zigeunerin blieb bei den Nadelstichen nicht unempfindlich. Von Zeit zu Zeit färbte der Purpur der Scham ihre Wangen oder entflammte ihr Auge mit Zorn; ein Wort der Verachtung schien auf ihren Lippen zu ruhen; sie schnitt das kleine Mäulchen, das der Leser schon kennt, blieb aber unbeweglich und heftete den Blick auf Phoebus, voll Ergebung, traurig und sanft. Auch lag Glück und Zärtlichkeit in dem Blick. Es schien, als bezwinge sie ihre Leidenschaft aus Furcht, entfernt zu werden. Phoebus lachte und nahm, halb

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