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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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Kuchen gemacht?“
    „Mutter“, sprach das Kind, „während du mit der Dame im Loch sprachst, kam ein großer Hund und biß in den Kuchen; da aß ich auch.“ – „Was, Junge, du hast ihn ganz gegessen?“ – „Mutter, es war der Hund; ich sagte ihm, er sollte es lassen, aber er wollte nicht hören. Da habe ich auch nur eben hineingebissen.“

24. Es ist gefährlich, einer Ziege ein Geheimnis anzuvertrauen
    Mehrere Wochen waren seitdem verflossen. Es war Anfang März und die Sonne strahlte lustig und heiter.
    Der hohen und von der Abendsonne geröteten Kathedrale gegenüber lachten und schäkerten einige schöne Mädchen auf einem steinernen Balkon über dem Tore eines prächtigen gotischen Hauses, an der Straßenecke des Platzes und der Rue de Parvis. An der Länge ihres Schleiers, der, mit Perlenschnüren von der Spitze ihres Kopfschmucks durchzogen, bis zu den Fersen hinabsank, an der Feinheit des gestickten Oberhemdchens, das ihre Schultern bedeckte und nach damaliger angenehmer Mode den entstehenden jungfräulichen Busen durchschimmern ließ, am Reichtum ihrer Unterkleider, die damals prächtiger waren als der Oberrock (welche wunderbare Wahl!), an Gaze, Seide, Samt und hauptsächlich an der Weiße ihrer Hände, die ihren Müßiggang bezeugten, erkannte man sie als reiche und edle Erbinnen. Es war Fleur-de-Lys von Gondelaurier mit ihren Gefährtinnen, Diane von Christeuil, Amelotte von Montmichel, Colombe von Gaillefontaine und die kleine Champchevrier, Mädchen von hoher Geburt, die in dem Augenblick bei der verwitweten Dame Gondelaurier versammelt waren, weil der Herr von Beaujeu, und Madame, Tochter des Königs, seine Frau, im April nach Paris kommen sollten, um dort die Ehrendamen für die Frau Dauphine auszuwählen, wenn man sie in der Picardie aus den Händen der Flamländer empfangen würde. Da bewarben sich alle Junker aus dreißig Stunden in der Runde um diese Ehre für ihre Töchter, und viele hatten diese schon nach Paris geführt oder geschickt. Jene waren der verständigen und achtbaren Obhut der Frau Aloise de Gondelaurier, der Witwe eines Meisters der Armbrustschützen des Königs, anvertraut, die mit ihrer einzigen Tochter in ihrem Hause am Platze von Notre-Dame zurückgezogen wohnte.
    Der Balkon, auf dem die Mädchen saßen, öffnete sich auf ein mit flandrischem, gelbem, mit Goldlaub bedrucktem Leder reich tapeziertes Zimmer. Im Hintergrunde saß die Dame Gondelaurier in einem prächtigen Sessel mit rotem Samt, vor einem von oben bis unten mit Wappen bedeckten Kamin. Ihre fünfzig Jahre waren nicht weniger auf ihrem Gesicht als auf ihrem Kleide gezeichnet. Neben ihr stand ein junger Mann mit stolzen, obgleich eitlen und prahlerischen Zügen, ein schöner Jüngling, einer von denen, die alle Frauen bewundern, während ernste Männer, die sich auf Physiognomien verstehen, die Achseln über sie zucken. Der junge Ritter trug das glänzende Kleid eines Hauptmanns der Häscher von der Ordonnanz des Königs.
    Die Mädchen saßen teils im Zimmer, teils auf dem Balkon. Jede hielt auf den Knien ein großes Stück Nadelstickerei, woran alle gemeinschaftlich arbeiteten. Sie flüsterten untereinander mit halbersticktem Lachen, wie es Mädchen zu tun pflegen, wenn ein junger Mann sich in ihrer Gesellschaft befindet. Der junge Mann, dessen Gegenwart jede weibliche Eigenliebe in Bewegung setzte, schien sich wenig darum zu bekümmern; während die schönen Mädchen sich bemühten, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, schien er allein beschäftigt, mit seinem hirschledernen Handschuh die Schnallenzunge seines Gürtels zu putzen. Von Zeit zu Zeit sprach die alte Dame leise zu ihm; dann antwortete er, so gut es ging, mit etwas gezwungener, linkischer Artigkeit. An dem Lächeln und den Zeichen der Frau Aloise, an den Blicken, die sie ihrer Tochter zuwarf, während sie dem Hauptmann etwas zuflüsterte, merkte man, daß es sich um eine schon stattgefundene Verlobung und eine baldige Heirat zwischen dem jungen Mann und Fleur-de-Lys handelte. An der kalten Verlegenheit des Offiziers konnte man leicht bemerken, daß seinerseits von Liebe nicht die Rede war. Auf seinem Antlitz lag der Ausdruck des Zwanges und der Langeweile, die unsere jetzigen Unterleutnants bewunderungswürdig mit „Hunde-Frondienst“ übersetzen würden.
    Die gute Dame bemerkte nicht den geringen Enthusiasmus des Offiziers; denn sie war in ihre Tochter nicht wenig verliebt; sie gab sich alle mögliche Mühe, ihn auf die unendliche

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