Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
zwischen 2006 und 2008 etwa zwanzig dieser postkartengroßen Kunstwerke. Kubitz und Waz waren verzückt. Man beschloss, den »Nachtschattengewächsen« innerhalb der Ausstellung einen eigenen Raum zu geben, ein kleines Kabinett, in dem die Bilder wie Alte Meister präsentiert werden sollten.
Nach vielen weiteren Besprechungen und zahlosen E-Mails konnten wir endlich am 3. November 2008 die Ausstellung vorbesichtigen. Zwei Tage vor der Eröffnung fanden wir noch eine ziemliche Baustelle vor, aber das Konzept schien zu funktionieren. Die »Nachtschattengewächse« waren gut gehängt und durch eine Galerie von gemäldeartig gerahmten Flachbildschirmen (mit Kopfhörern) erreichbar, auf denen die populärsten Loriot-Sketche als Dauerschleife liefen. Vicco war skeptisch. Die Galerie mit den Bildschirmen hielt er für überflüssig: »Mein Gott, das kennen die Leute doch alles von zuhause, das sehen die sich doch hier nicht noch mal an.«
Und er zweifelte, ob alles rechtzeitig fertig und funktionieren würde. Vor allem aber war es ihm nach wie vor unangenehm, derart gefeiert zu werden. Das war mehr als nur Bescheidenheit, es war die Lebenshaltung eines Mannes »des Vergessens«.
Großer Bahnhof bei der Eröffnung der Ausstellung. Einziger Wermutstropfen: Der Katalog war nicht rechtzeitig fertig geworden. Er beschäftigte uns noch die nächsten zwei Monate und erschien leider erst, als die Ausstellung schon nach Hamburg weitergezogen war. Die Intendantin des rbb, Dagmar Reim, hielt eine Geburtstagsrede.
Vorbesichtigung zwei Tage vor Eröffnung
☞ GEGENSCHUSS DAGMAR REIM ☜
Verehrter Herr von Bülow,
[…] Ich liebe Ihre Geschichten, Szenen, Sketche, Fernsehsendungen, Filme, Liebesbriefe, Opernsprengungen, kurzum: das gesamte Werk, und ich habe darüber mit meiner Mutter und Großmutter gelacht. Ich lache darüber mit meinem Mann, meinen Kolleginnen und Kollegen, mit meinen Freunden, meiner Friseurin und mit meinen Kindern. Es fällt mir nichts ein, was meine Großmutter ebenso erheitert hat wie ihren Urenkel. Es gibt nichts Vergleichbares.
Würde Infratest dimap heute eine Umfrage starten, so bin ich mir des Ergebnisses sicher: Sie sind über alle Altersgruppen hinweg bekannter als Bundeskanzlerin, Außenminister und Bundespräsident zusammen. Amüsanter allemal und beliebter sowieso Keine Hochzeitszeitung, in der sich nicht mindestens eine Ihrer Zeichnungen findet. Kaum eine Familienfeier, auf der nicht irgendein Onkel sich an Ihren Sketchen versucht. (Ich hoffe inständig, dass Sie nie einer solchen Aufführung beiwohnen mussten.) Was ich damit sagen will: Ihre Comics, Dramatischen Werke und Figuren gehören längst zum deutschen Humorschatz, mehr noch: zum gesamtdeutschen, wie Peter Rühmkorf es formuliert hätte: zum – Volksvermögen. […]
Zu Ihrem 100. Geburtstag wünschen Sie sich, hört man, als Kulisse die Große Halle des Volkes in Peking. Ich empfinde das als übertrieben bescheiden, wenn ich den heutigen Andrang sehe. In den großen Kongresssaal des sozialistischen Bauwerks passen gerade mal 10 000 Chinesen. Besser wäre das Vogelnest, »Bird’s Nest«, das Olympiastadion – das fasst 80 000 Gäste, und – Stichwort Glückszahl acht – es dauert lediglich acht Minuten, das Pekinger Olympiastadion im Ernstfall zu evakuieren. Apropos Ernstfall:
Ein Leben ohne Loriot ist möglich, aber sinnlos.
✍
Am Abend der Ausstellungseröffnung schrieb ich in mein Tagebuch: »Vicco ist sehr unsicher, steckt mir den Text seiner Rede zu und sagt, bei einem Schwächeanfall müsse ich die Rede eben halten. Dann kommt Dagmar Reim und hält eine so schöne Rede, dass Vicco ganz aus dem Häuschen ist. Er springt spontan auf und umarmt sie. Danach hält er seine Rede mit freier Einleitung: ›Versehentlich wurde ich nicht zum amerikanischen Präsidenten gewählt‹ [Barack Obama war tags zuvor zum ersten Mal gewählt worden]. Er ist plötzlich superfit und lässt viele Menschen über sich ergehen.«
Schon die ersten Worte seiner Rede brachten die Zuhörer zum Lachen. Er stellte die Frage nach dem Unterschied von bildenden Künstlern und Karikaturisten und wartete mit einer verblüffenden Antwort auf: Der bildende Künstler schneide sich gelegentlich ein Ohr ab, der Karikaturist nicht.
Es erübrigt sich beinahe schon, zu erwähnen, dass die Ausstellung die erfolgreichste wurde, die das Museum jemals zeigte. Später ging sie mit ebensolchem Erfolg nach Hamburg und Bonn.
In Bezug auf die Galerie mit den
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