Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
Tag keine Zeit. Am Abend sollte die Beckmann-Sendung laufen, in deren Aufzeichnung am Freitag natürlich nicht auf Evelyns Krankheit Bezug genommen worden war. Sollte man die Sendung verschieben? Damit hätte man nur das Problem verschoben, denn auch eine oder zwei Wochen später hätten die Zuschauer eine Stellungnahme Loriots zum Tod seiner wichtigsten Schauspielerin vermisst.
Außerdem wollten wir Vicco vor einer Flut von Interviewanfragen abschirmen. Um Spekulationen und erfundenen Zitaten vorzubeugen, beschlossen wir, dass er einen kurzen Nachruf verfassen sollte, der dann über Agenturen den Weg in die Presse finden würde. Er musste die Sache aktiv in die Hand nehmen. Dieser Nachruf sollte dann auch der »Beckmann«-Sendung vorangestellt werden, in der man darauf hinweisen würde, dass Loriot zum Zeitpunkt der Aufzeichnung noch nicht ahnte, dass es mit Evelyn zuende ging.
Es folgten hektische Telefonate. Loriot noch einmal ins Studio nach Hamburg zu kutschieren, war ausgeschlossen. Obwohl Bülows es hassten, wenn Fernsehteams bei ihnen zuhause auftauchten, blieb ihnen diesmal keine Wahl. Beckmann versprach, mit einem »Mini-Team« anzurücken, und machte sich auf den Weg nach Berlin.
Unendlich traurig saßen wir in der kleinen Dachwohnung am Savignyplatz. Dennoch musste Vicco etwas formulieren, was dem Anlass angemessen erschien und – das war das Schwierige – trotz allem irgendwie auch komisch sein sollte.
Die in solchen Fällen üblichen Floskeln kamen nicht in Frage. Da erinnerte ich mich an einen Film, den ich Jahre zuvor mit Inge Meysel gedreht hatte. Sie spielte darin eine Witwe, die nach der Beerdigung ihres Mannes sein Foto betrachtet und ihm vorwirft, unfair gewesen zu sein: »Es war abgemacht, dass ich zuerst gehen darf.« Ich erzählte Vicco von der Szene und schlug etwas in dieser Art vor, vielleicht verbunden mit einem Hinweis auf Evelyns perfektes Timing als Schauspielerin. Die Idee gefiel ihm. Dann wurde formuliert, aufgeschrieben, umgeschrieben und wieder aufgeschrieben.
»Liebe Evelyn, dein Timing war immer perfekt, nur heute hast du die Reihenfolge nicht eingehalten …«, so endete Loriots kurze Erklärung. Sie war das Ergebnis langen Nachdenkens. Vicco war nicht unzufrieden, aber irgendetwas fehlte ihm noch – der »Loriot-Touch«, eine Formulierung, die warmherzig, traurig und gleichzeitig humorvoll sein sollte. »Na warte …«, sagte Vicco plötzlich, und diese zwei trotzigen, deneigenen Tod reflektierenden Worte waren genau das, was er suchte.
Beckmann und sein Team kamen gegen Mittag an. Das »Mini-Team« war natürlich größer als angekündigt. Die Scheinwerfer füllten das kleine Wohnzimmer am Savignyplatz ganz aus, die Maskenbildnerin baute ihr umfangreiches Equipment in Romis Küche auf und schminkte Vicco, der alles mit stoischer Ruhe über sich ergehen ließ.
Dann wurden das vorbereitete Statement und ein kurzes Interview gedreht. Der Text des Statements wurde von Beckmanns Redaktion an die Nachrichtenagenturen weitergeleitet und überall richtig zitiert. Keine einzige Zeitung fragte wegen eines weiteren Interviews an.
Abends kamen Bülows in die Giesebrechtstraße, um gemeinsam mit uns »Beckmann« anzusehen. Wir waren mit der improvisierten Lösung sehr zufrieden. Auf das Interview, in dem Vicco an Evelyns Präzision und ihr ungeheures Lachen erinnerte, folgte eine Montage der schönsten Momente von Loriot und Evelyn, dann begann die eigentliche Sendung.
Das Museum
Die Beziehungen zwischen Loriot und dem »Museum für Film und Fernsehen« in Berlin hatten eine lange Geschichte. Der damalige Leiter der Deutschen Kinemathek und Direktor des Museums am Potsdamer Platz, Hans Helmut Prinzler, war ein alter Freund von mir. Wir kannten uns aus der Zeit meines Studiums an der dffb, wo er in den 1970ern als Studienleiter arbeitete. Prinzler wusste von meiner Freundschaft mit Loriot und bat mich, ihn zu fragen, ob er nicht zur Eröffnung der Fernsehabteilung des Museums im Mai 2006 eine kleine Rede halten könnte.
Vicco war als brillanter Redner hochgeschätzt und wurde ständig und von allen Seiten um Reden angegangen. Seine Lust, sich diesbezüglich zu betätigen, war allerdings äußerst gering. Andererseits war er einer der wenigen ganz großen Fernsehstars. Er sah ein, dass er das Ansinnen des Museums schlecht ablehnen konnte, und ich bestärkte ihn darin. Er sagte zu, allerdings unter der Voraussetzung, dass er in seiner Rede Passagen verwenden könnte, die aus
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