Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
noch unter so viel glücklicheren Umständen in der Philharmonie gehört hatten.
Das letzte große Interview und der 85.
Radio Bremen hatte mich im Frühjahr 2008 gebeten, meinen Freund dazu zu bewegen, für die ARD-Reihe »Deutschland, deine Künstler« ein letztes großes Interview zu geben. Ich traf die Autorin und Regisseurin der geplanten Dokumentation, die sehr sympathische Claudia Müller. Sie zeigte mir eine ihrer Arbeiten, einen Film über Jim Rakete, ich hatte den Eindruck, dass dies eine Sache sei, die man unterstützen sollte. Zumal Viccos 85. Geburtstag anstand und wir mit diesem Beitrag vielleicht vermeiden konnten, dass wieder einmal von allen Seiten Interviewanfragen auf ihn einprasselten.
Vicco stöhnte auf, als ich ihm das Ansinnen von Radio Bremen und Frau Müller vortrug. Aber er hörte sich auch an, was ich zugunsten des Projekts vortrug. Das Hin und Her, ob er zu einem letzten Interview bereit wäre, zog sich über Monate hin. Mal wollte er, dann rief er wenig später an und wollte doch wieder nicht.
In jedem Fall durfte ein Dreh in Ammerland nur unter einer Bedingung stattfinden: Es sollte kein mehrköpfiges professionelles Team mit großem Equipment anreisen. Außer meiner Frau und mir war nur noch Claudia Müller im Hause Bülow zugelassen. Wie gut, dass ich in den 1970er Jahren an der dffb auch Kamera und Ton studiert hatte. Die Ausbildung zum kompletten »Filmemacher« trug späte Früchte. Ich kaufte in Berlin eine kleine HD-Videokamera, ein Funkmikrofon, das man Loriot für Interviewzwecke anclippen konnte, und einendigitalen Fotoapparat, der HD-fähig war und als zweite Kamera diente. Zwei kleine Scheinwerfer hatte ich. Das war alles.
Dann warteten wir, mehr oder weniger abfahrbereit, auf Nachrichten aus Bayern. Noch in der letzten Woche vor unserem Besuch in Ammerland ging es zweimal hin und her, dann kam die Zusage, und wir machten uns auf den Weg zum Starnberger See.
Letztlich hatte ihn wohl doch eine persönliche Begegnung mit der Regisseurin überzeugt, verbunden mit der Aussicht, dass mit dem einen Interview alle anderen Anfragen guten Gewissens abgewimmelt werden konnten. Außer dem Interview wollten wir noch ein paar kurze, in die Kamera gesprochene Statements für die hungrigen Medien drehen.
Es war nicht das erste Mal, dass wir in diesem Jahr in Ammerland waren. Schon um Ostern herum waren wir für eine Woche bei Bülows eingeladen, diesmal ohne Arbeit. Vormittags liefen wir auf der Zugspitze Ski, nachmittags verbrachten wir Zeit mit unseren Freunden, sahen Filme und Opern an und hörten Musik. Da wir beide Mitglieder der Deutschen Filmakademie waren, haben wir auch zusammen Filme gesichtet, die wir innerhalb des Nominierungsverfahrens für den Deutschen Filmpreis begutachten mussten. Wir waren meist einer Meinung.
Der Besuch im Juli war ganz anders. Alles stand im Zeichen der Aufnahmen für die Dokumentation und die Statements. In den vier Tagen bevor Frau Müller anreiste, setzten wir uns zusammen und suchten aus Loriots Texten Passagen zu den Themen »Fernsehen« (für die Ausstellung), »Altern« (für den Geburtstag) und „Dramatische Werke“ (als Grußwort für ein Gastspiel mit seinen Sketchen im Berliner Schillertheater) heraus. Außerdem überflogen wir die vorher eingereichten Fragen von Frau Müller, damit Vicco nicht unvorbereitet in das Interview ging.
Während dieses Gesprächs kam mir zum ersten Mal der Gedanke (den ich dann in meinem Text »Die Stimme des Zeichners« äußerte), dass »Loriot« eigentlich eine Kunstfigur war,ein zweites Ich, ein Alter Ego für Vicco von Bülow. Wann immer Vicco als Loriot in der Öffentlichkeit in Erscheinung trat, verwandelte er sich in diese Kunstfigur. Loriot war stets ironisch-distanziert, gelegentlich auch ernst, aber auf seltsame Weise auch unangreifbar. Bekenntnisse emotionaler oder gar politischer Natur waren von Loriot so gut wie nie zu hören, ganz im Gegensatz zum Privatmann Vicco von Bülow. Vicco hasste die Improvisation, ergo musste er sich gut vorbereiten, wenn er als Loriot vor eine Kamera trat.
Im Alter ließ Vicco die »Maske« dann zunehmend fallen. Er zeigte sich sowohl bei Beckmann als auch in Claudia Müllers Film und einer von mir noch später gedrehten Dokumentation öfters spontan von seiner privaten Seite und legte es nicht mehr darauf an, permanent komisch zu sein. Das macht diese letzten Aufnahmen so authentisch und wertvoll.
Als die Texte standen, hatten wir bis zur Ankunft von Frau
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