Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
Ehrungen war eben auch mit Mühen verbunden, denen er sich im fortgeschrittenen Alter immer weniger gern unterzog – zumal seine Technik, Texte zu verfassen, sehr traditionell war. Er schrieb grundsätzlich alles mit der Hand, strich durch, korrigierte, schrieb darüber.
Das Handgeschriebene wurde dann zu seiner früheren Sekretärin Frau Brücker gefaxt, die inzwischen in Spanien im Ruhestand lebte, aber immer noch für Loriot tätig war. Frau Brücker faxte den getippten Text zurück. Loriot korrigierte, faxte wieder nach Spanien, Frau Brücker übertrug die Korrekturen und faxte zurück usw. Als ich Vicco darauf hinwies, dass Frau Brücker den Text doch auch per E-Mail schicken und ich die Korrekturen, an denen wir ja ohnehin gemeinsam saßen, in meinen Laptop tippen könne, zögerte er. Es wollte vermeiden, dass ich für ihn in die Rolle eines Sekretärs schlüpfte. Ich hingegen wollte nur Zeit sparen. An die Tatsache, dass man im Zeitalter von Laptops nicht gleich eine Schreibkraft war, wenn man eine Tastatur bediente, musste er sich erst gewöhnen.
Kurz nach der Bendow-Premiere im italienischen Restaurant gab es bei uns zuhause ein großes Spaghetti-Essen. Eingeladen waren, außer dem Ehepaar Bülow, die komplette Band GoodBooks samt deren Managerin, eine lustige Truppe.
Mit Rücksicht auf unsere Gäste sprachen wir vornehmlich Englisch. Vicco verstand die Sprache zwar leidlich, aber sein aktiver Wortschatz war doch begrenzt. Dennoch wollte er es sich nicht nehmen lassen, ein komisches Erlebnis in seinem holprigen Englisch zum Besten zu geben. Es ging um eine Stewardess, die auf einem Flug ein Sektglas über ihn gegossen hatte, dessen Inhalt sich langsam kriechend unter Hemd und Hose verteilte und dort grauenvollsten Juckreiz auslöste. Da, wo ihm die Worte fehlten, gestikulierte er zäh mit beiden Armen, um den Weg des klebrigen Schaumweins pantomimisch nachzuzeichnen. Die jungen englischen Musiker fielen vor Lachen fast von ihren Stühlen.
Hauskonzert mit Enkel Leopold und Mops Emil
Vicco hatte wohl schon Musik der Band auf CDs gehört, GoodBooks aber noch nie live gesehen. Da bei uns viel musiziert wurde, haben wir allerhand Instrumente im Haus. Im Esszimmer steht ein alter Flügel, akustische und elektrische Gitarren sind in ausreichender Anzahl vorhanden. Und im Keller gibt es sogar ein einfaches Schlagzeug.
Nach dem Essen holten Leopold und ich die Snaredrum, ein paar Drumsticks und den Schlagzeugsitz aus dem Keller. Meine Tochter Josefine steuerte ihren E-Bass samt Verstärker bei, der Keyboarder setzte sich an den Flügel, und der Leadsänger griff zu einer meiner akustischen Gitarren.
Dann legten die vier Musiker los, und der über achtzig Jahre alte Loriot erlebte zum ersten Mal seinen Enkel als Drummer mit seiner Band. GoodBooks spielten auch Kompositionenvon Leopold, und Vicco bekam glänzende Augen. Durch die akustischen Instrumente war die Musik sanfter, als sie bei einem Bühnenauftritt gewesen wäre. Die »unplugged«-Versionen der Songs gefielen dem älteren Ehepaar und selbst Mops Emil außerordentlich gut.
Ich habe diesen Abend als etwas ganz Besonderes in Erinnerung. Drei Generationen saßen zusammen, aßen, scherzten und musizierten in Deutsch und Englisch. Es war sehr anrührend und mit seiner generationsübergreifenden Aura einfach unvergesslich.
In der ausgelassenen Stimmung beschlossen wir, alle zusammen drei Tage später in die Philharmonie zu gehen – neun Personen! Das Konzert war seit Wochen ausverkauft, Daniel Barenboim spielte und dirigierte vom Klavier aus die Berliner Philharmoniker. Es gab Beethovens 3. Leonoren-Ouvertüre sowie sein 1. und 5. Klavierkonzert.
Es gelang uns tatsächlich, neun Karten zu bekommen. Wir saßen verstreut über den ganzen Saal und hörten ein grandioses Konzert. Noch ein Abend, der allen unvergesslich geblieben ist. Eine Woche später gab es bei uns ein weiteres Good-Books-Hauskonzert.
Wie schon in den ersten Jahren unserer Zusammenarbeit waren aber auch diese glücklichen Tage für mich von der Krankheit und schließlich dem Tod meines Bruders überschattet.
Vicco hatte meinen Bruder nur einmal kurz getroffen, deshalb hielt ich es nicht für selbstverständlich, dass er mit Romi zu dessen Beisetzung kam. Aber er ließ sich nicht davon abbringen, mir in diesen schweren Tagen zur Seite zu stehen. Eine der Musiken, die ich für die Trauerfeier ausgesucht hatte, war der zweite Satz des 5. Klavierkonzertes von Beethoven, den wir vor kurzem
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