Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
Abdruck sie gestattet haben.
Loriots Teleskizzen (Loriot 2)
Schon vor dem Schluss-Editing der ersten Sendung begannen wir mit den Vorbereitungen zu Folge zwei. In der Zwischenzeit hatte ich den Dreh meines Abschlussfilms »Krawatten für Olympia« erfolgreich hinter mich gebracht. Und wieder eröffnete mir Loriot eine Welt, von der ich bisher nichts geahnt hatte, die mir aber sehr schnell ans Herz wuchs: Schloss Elmau.
Schloss Elmau liegt etwas abseits der Straße von Garmisch-Partenkirchen nach Mittenwald. Von dem kleinen Ort Klais aus fährt man über eine Privatstraße in ein beeindruckendes Hochtal, in dem das riesige Schloss vollkommen einsam vor dem Panorama der majestätischen Wettersteinwand thront. Als ich der Einladung Loriots dorthin folgte, war es noch die »alte« Elmau, sehr traditionell, fast wie ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert. Eine reizvolle Mischung aus Thomas Manns »Zauberberg«, Jugendherberge und Kloster, wie Loriot sagte, auch wenn es dort ganz und gar nicht klösterlich zuging.
Nachdem 2005 das Schloss zu großen Teilen abbrannte, hat sich die Elmau stark verändert. Es ist heute ein luxuriöses Wellnesshotel mit hochkarätigem Kulturprogramm. Damals war die Elmau ein aus der Zeit gefallener Ort. Sie war bezahlbar, selbst, zum Beispiel, für pensionierte Musiklehrerinnen aus Berlin. Es gab einfache Zimmer ohne eigenes Bad und ohne Fernseher, was selbst in den 1970er Jahren als medienasketisch galt. Die Tagesschau sah man gemeinsam in einer Ecke des Ess-Saales. Die Mahlzeiten wurde an großen Gemeinschaftstischen eingenommen, so kam man automatisch mit den anderen Gästen ins Gespräch. Sinn und Zweck der Elmau war die Begegnung von Menschen mit der Natur, mit der Kunst und untereinander. Sie war aber auch ein traditioneller Rückzugsort für Geistesgrößen aus der ganzen Republik. Außer Loriot gehörten unter anderen Johannes Rau und Alexander Kluge zu den Stammgästen.
Gegründet hatte die Elmau 1914 Johannes Müller, ein esoterisch angehauchter Philosoph, der in der Erhöhung durch die Kunst, noch mehr aber im Tanz ein Mittel sah, den entfremdeten modernen Menschen zu sich selbst zu führen. Das Geld für den Bau des Schlosses stammte von Elsa Gräfin Waldersee, deren Porträt neben der Terrassentür im Erdgeschoss des Schlosses hängt. So, wie sie den Betrachter ansieht, kann man sich gut vorstellen, dass Johannes Müller sie nicht nur wegen ihrer finanziellen Großzügigkeit verehrte.
Loriot schätzte diesen verwunschenen Ort, an den er sich gerne zum Nachdenken zurückzog, vorzugsweise in das sogenannte »Fürstenzimmer« mit rundem Erker, Nr. 219. Als seine rechte Hand genoss ich das Privileg, mitfahren zu dürfen, selbstverständlich von ihm eingeladen, seine Großzügigkeit war auch hier grenzenlos.
In den vier Januartagen meines ersten Besuchs auf der Elmau – es sollten noch viele weitere folgen – dachten wir über neue Sketche nach. Dies geschah entweder in Loriots schönem Turmzimmer, auf langen Spaziergängen durch das verschneite Hochtal oder im Teesaal, dem kommunikativen Zentrum des Schlosses, wo es Tee aus einem Samowar und den besten Himbeerkuchen der Welt gab. Aber war die Arbeit nicht nur ein Vorwand, um abends ins Konzert zu gehen?
Elmau war und ist jedes Jahr für eine Woche das Mekka der internationalen Kammermusik. Yehudi Menuhin, Friedrich Gulda, Gidon Kremer und viele andere sind dort regelmäßig aufgetreten. Bezeichnenderweise notierte ich in meinem Tagebuch über diese Januartage 1976 nicht, an welchen Sketchideen Loriot und ich arbeiteten, sondern welche Konzerte wir im Rahmen der Musikwoche gehört haben: »Am Mittwoch das Amadeus-Quartett mit Mozart und Smetana, am Donnerstag das Münchner Streichtrio, am Freitag wieder das Amadeus-Quartett mit Haydn und Beethoven.«
Nachmittags lauschten wir den Musikern bei ihren Proben, nach den Konzerten saßen wir mit den Mitgliedern des Amadeus-Quartetts zusammen und fachsimpelten über Musik und Instrumente. Eine von Loriot immer wieder gern erzählte Begebenheit beschreibt den Geist dieser Tage sehr gut. Norbert Brainin, der erste Geiger des weltberühmten Quartetts, hatte seine Stradivari offen auf dem Flügel im Kaminsaal, wo auch probiert wurde, liegen lassen und sich auf einen Spaziergang begeben. Um den Flügel herum spielten Kinder, niemand sorgte sich ernsthaft um die kostbare Geige. Als Brainin nach seinem Spaziergang in den Kaminsaal zurückkam, packte er sein Instrument ein und ging auf sein
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