Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
Vaters. Ich rief also Bettina in London an und führte ein längeres warnendes Telefonat mit ihr. Sie ließ sich von ihrem Vorhaben zwar nicht abbringen, aber wenigstens konnte ich sie erneut für die Gefahren einer Wüstendurchquerung sensibilisieren und ihr weitere Ratschläge geben. Wir telefonierten etwa eine Stunde miteinander. In Zeiten teurer Ferngespräche war dies eine für einen Studenten kostspielige Angelegenheit. Loriot wusste das und fragte mich, was er mirschuldig sei. Selbstverständlich lehnte ich es ab, mir von ihm die Telefonkosten erstatten zu lassen. Im Gegenteil, ich war glücklich, für den Mann, der in der kurzen Zeit unserer Bekanntschaft schon so viel für mich getan hatte, auch einmal etwas tun zu können.
Loriot nahm meine Weigerung scheinbar an, doch wenig später flatterte mir ein Brief ins Haus. Er enthielt ein sorgsam gefaltetes DIN-A4-Blatt mit einem am oberen Rand aufgeklebten grünen 20-Mark-Schein. Der Schein zeigt Dürers Renaissance-Porträt der Nürnberger Patrizierin und Kaufmannsfrau Elisabeth Tucher, das Loriot mit Kugelschreiber nach unten auf dem Blatt verlängert hatte, wobei sich die Patrizierin in der Zeichnung als spießige Mutti von 1975 mit Blümchenkleid und Klavierbeinen in halbhohen Pumps entpuppte.
Natürlich habe ich den Geldschein nie aus dem Kunstwerk herausgelöst. Das Werk hängt bis heute bei uns gerahmt an der Wand. Und Bettina ist heil von der Reise zurückgekommen.
In Berlin sehnte ich die Fortsetzung des Loriot-Drehs im Studio herbei. Ich war mit den Bedingungen, unter denen ich als Kameramann für einen weiteren dffb-Abschlussfilm arbeitete, nicht glücklich, und die Vorbereitungen für meinen eigenen Abschlussfilm, der direkt nach dem Bremer Studioteil gedreht werden sollte, waren mit Schwierigkeiten verbunden. Meine erste große Regiearbeit, eine Spielfilmkomödie von achtzig Minuten, lag wie ein fast unüberwindlicher Berg vor mir. Bremen versprach da erheblich entspannter und amüsanter zu werden.
Loriots sauberer Bildschirm (Loriot 1)
III. Akt
Aber auch in Bremen herrschte nicht immer nur Sonnenschein. Der kultivierte Humorist vom Starnberger See und der aufmüpfige Filmstudent aus Berlin waren in der fast beamtenhaften Welt festangestellter Fernsehmitarbeiter doch ziemliche Exoten. Unsere Angewohnheit, geregelte Arbeitszeiten nicht kennen zu wollen, stieß im Sender auf Unverständnis.
Nun konnte man von den Mitarbeitern nicht verlangen, dass sie abends und am Wochenende arbeiteten, aber für uns war das normal, wir fühlten uns als freie Künstlerseelen, die keine derartigen Beschränkungen akzeptierten.
Loriot ging, wie immer, mit der Situation souverän um. Im Gegensatz zu mir, der ich dazu neigte, den zuweilen behäbigen Apparat durch Druck in Bewegung setzen zu wollen, machte er es mit Eleganz und Humor. Im Grunde genommen ergänzten wir uns ganz gut. Da, wo er konziliant war, war ich unerbittlich, da, wo ich mich unbeliebt machte, glättete er die Wogen, wohl wissend, dass der von mir erzeugte Druck der gemeinsamen Sache dienlich war. Im Doppelpack müssen wir für die Mitarbeiter des Senders manchmal eine Zumutung gewesen sein.
Während der Pause zwischen den beiden Drehblöcken wurden in Bremen die Dekorationen gebaut. So klein der Sender war, so gut war er mit Werkstätten ausgestattet. Die Entwürfe stammten von Loriots Hand. Er hatte Übung darin. Außer seinem Haus in Ammerland hatte er auch dessen komplette Innenausstattung selbst entworfen. Als wir in Bremen ankamen, standen die Dekorationen bereits im großen Studio, es mussten lediglich Requisiten ergänzt und arrangiert werden. Wir waren in guten Händen.
Der Studiodreh begann am 25. August 1975 mit Loriots Parodie von Hoimar von Ditfurth, »Du und dein Körper«. Loriots Fähigkeit, in die Masken prominenter Zeitgenossen zu schlüpfen, war phänomenal. Es waren nicht nur die von der Maskenbildnerin präzise nachmodellierten Nasen und Bärte, es waren der verbale Gestus und die Körpersprache, die seine Parodien so einmalig machten. Loriot alias Hoimar von Ditfurth, seinerzeit der bekannteste deutsche Wissenschaftsjournalist, erklärte unser Sonnensystem anhand von kleinen Pappmodellen.
Einer meiner Lieblingssätze aus allen Loriot-Sketchen kommt aus dem Mund des TV-Wissenschaftlers: »Sonne, Mond und Erde … Das sind natürlich nur Modelle, aber die ungeheure Größe der Himmelskörper wird deutlich, wenn Sie zum Vergleich einen Stecknadelkopf betrachten.« Dabei
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