Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
Zimmer. An jedem anderen Ort der Welt hätte man eine so seltene Geige im Tresor des Hotels untergebracht.
Loriot liebte die Plaudereien mit den Profis. Er selbst hatte nie ein Instrument gelernt, er konnte auch keine Noten lesen, aber er war ein leidenschaftlicher Hörer und Kenner, nicht nur von Wagners Opern, sondern auch von Kammermusik. So sprachen wir eines Nachmittags lange mit Peter Schidlof, dem Bratscher des Quartetts, über kostbare alte Bögen. Er gab uns seinen »Tourte«-Bogen, der schon damals über 100 000 DM wert war, in die Hand, und wir durften das edle Objekt bewundernd zwischen den Fingern wiegen.
Zwischendurch haben wir auch gearbeitet. Bei unseren Überlegungen für die zweite Loriot-Sendung spielte Herr Pannek eine nicht unbedeutende Rolle. Wir fanden sein altmodisches Berlinisch so komisch, dass wir daraus unbedingt mehr machen wollten. Ich bekam den Auftrag, Herrn Pannek in Berlin aufzusuchen und ihm, quasi als Casting, komplizierte philosophische Texte zu lesen zu geben. In meinem Abschlussfilm hatte Pannek eine kleine Rolle übernommen, einen grüblerischen Angler, der die griechische Weisheit des Heraklit »panta rhei« (»Alles ist im Fluss«) zum Besten gab. Ich suchte also schwierigste Texte von Hegel heraus, fuhr zu Herrn Pannek nachhause und bat ihn, die Texte vorzulesen. Das Ergebnis war eher ernüchternd. Gewiss war es komisch, wie sich der gute alte Mann hoffnungslos in Hegels Gedankenwindungen verlief, aber hätten wir ihn dies vor der Kamera machen lassen, wäre es nicht komisch gewesen, sondern nur denunziatorisch.
Loriot ließ deshalb Herrn Pannek eine Ehre zukommen, die später nur noch Evelyn Hamann genoss. Er schrieb eigens für ihn einen Text. Es war ein kleiner absurder Witz, den Pannek, allein, mit Blick in die Kamera, erzählen sollte: »Ein Deutscher, ein Däne und ein Holländer sitzen in Norwegen in einem italienischen Restaurant. Da sagt der Däne zu dem türkischen Ober: ›Na, du alter Schwede!‹ – Ha!« Im Gegensatz zu Hegels Philosophie erschien Loriot dieser »Witz« unproblematisch. Herr Pannek bekam den Text zugeschickt mit der Bitte, ihn auswendig zu lernen.
Am Tag der Aufnahme war für Pannek ein Hocker vor einer schwarzen Wand vorbereitet, auf dem sitzend er den Witz vortragen sollte. Loriot hatte eine verzierte Vignette für Pannek gezeichnet, die seinen Kopf einrahmte und, von einer zweiten Kamera gefilmt, elektronisch ins Bild eingefügt wurde.
Ich holte Herrn Pannek aus seiner Garderobe und ging mit ihm ins Studio. Als er das relativ leere Studio sah, schaute er sich suchend um und fragte mich schüchtern: »Herr Lukschy, wo sind’n die anderen?« – »Welche anderen, Herr Pannek?« – »Na, der Deutsche und der Holländer und der türkische Ober … Und wo ist denn det Restaurant …?«
Pannek hatte nur den Satz »Na, du alter Schwede« gelernt, sonst nichts, eine Katastrophe. Wir versuchten, ob er sich denkompletten Text schnell einprägen konnte, vergeblich. Also wurde eine dreißigminütige Pause angesetzt. Herr Pannek ging zurück in seine Garderobe und lernte den Unsinnswitz auswendig. Zumindest versuchte er es.
Als Pannek nach der Pause auf seinem Hocker Platz nahm und den ersten Versuch startete, den Witz zu erzählen, war klar, dass wir an der Nummer länger würden drehen müssen. Um nicht jedes Mal eine neue Klappe schlagen zu müssen, ließen wir das MAZ-Band durchlaufen, eine gute halbe Stunde lang. Für den armen Herrn Pannek muss diese halbe Stunde die Hölle gewesen sein. Er verhaspelte sich, bekam Schweißausbrüche, brach den Witz auf halber Strecke von allein ab, bis es ihm endlich doch gelang, seinen Text fehlerfrei aufzusagen. Als wir die Sendung später zusammenstellten, erwies sich die Tatsache, dass wir Panneks gesammelte Versuche aufgezeichnet hatten, in denen aus dem italienischen Restaurant immer wieder ein türkisches wurde, als Segen. Der Mann in der verzierten Vignette wurde zu einem der Running Gags der zweiten Sendung »Loriots Teleskizzen«.
Die Produktion zog sich auch bei den »Teleskizzen« über lange Zeit hin. Wir begannen Ende März mit den Außenaufnahmen auf Film, das Schluss-Editing fand erst im Oktober, zwei Wochen vor der Ausstrahlung, statt. Dazwischen lagen die üblichen Phasen der Planung und des Schnittes. Weil unsere Zusammenarbeit im Schneideraum so gut verlaufen war, wünschte sich Loriot, dass ich zukünftig auch die Studio-Sketche schneiden sollte. Für das Schneiden von
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