Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
Restaurant betrieb, quasi zum Inventar. In der Fontelina überwinterte auch sein winziges Gummiboot, mit dem er traditionell an seinem ersten Ferientag aufs Meer hinauspaddelte, um Stunden später krebsrot wieder an Land zu erscheinen.
Herr Pannek auf Capri
Herr Pannek entsprach nicht nur äußerlich dem Bild eines verhutzelten Opas, er hatte auch den altmodischen Berliner Tonfall, der Loriot für die Figur vorschwebte. Wir fanden Herrn Panneks Adresse heraus, und er wurde von da ab ständiges Mitglied des Loriot-Ensembles.
Das Vorbild für die kurzen Auftritte des Berliner Handwerkers war Herr Störk, der als schräges, meist stummes Faktotum schon die Stuttgarter »Cartoon«-Sendungen bereichert hatte. Pannek, wie wir ihn nannten, wurde für seine kleine Rolle eingeflogen – ein Privileg, dass normalerweise nur professionelle Schauspieler genossen – und war in seiner rührenden Naivität so komisch, dass Loriot nicht mehr auf ihn verzichten wollte. Herrn Pannek gehörte dann auch Jahre späterder letzte Satz der letzten Bremer Sendung: »Hallo? Benötigen Sie einen Weihnachtsmann?«
Zum Dreh der Tagesschau-Sketche ließ man uns ins Allerheiligste der ARD, ins Tagesschau-Studio in Hamburg. Was für ein Privileg, die Parodie der wichtigsten Nachrichtensendung des deutschen Fernsehens in deren eigenem Atelier drehen zu dürfen.
So wie Loriot mich in München zum Abschluss unserer Schnittzeit ins »Tantris« führte, zeigte er mir in Hamburg im Anschluss an den Tagesschau-Dreh das feine Restaurant »Jacobs« an der Elbchaussee. Ja, Loriot war durchaus ein Feinschmecker. In Bremen war es sein Schönstes, seine Schauspieler und mich ins Bistro »Grashoff« auszuführen, wovon später die Rede sein wird.
Es gab noch ein wenig Synchronarbeiten, dann wurden am letzten Drehtag im Bremer Studio die Moderationen auf dem Sofa gedreht. Das war von Vorteil, denn wir wussten jetzt, wie lang die einzelnen Sketche geworden waren, und konnten die Zwischenmoderationen längenmäßig entsprechend anpassen.
In Stuttgart hatte Loriot auf einem roten Gründerzeitsofa gesessen. Es war die Frühzeit des Farbfernsehens gewesen, und man bevorzugte kräftige, klare Farben. Zur Zeit der ersten Bremer Sendung war man schon weiter. Differenzierte, gedeckte Farben waren angesagt. Also wurde das Sofa grün, und es verlor die gründerzeitlichen Verzierungen des Stuttgarter Möbels zugunsten biedermeierlicher Schlichtheit. Loriot trug einen Tweedanzug, der sich farblich dezent vor dem grünen Bezugsstoff ausnahm. Während der Aufnahmen achtete er insbesondere darauf, dass in den Halbtotalen die schön geschnitzte Holzschnecke, die die Vorderseite der Sofalehne abschloss, immer gut im Bild zu sehen war.
Das endgültige Editing, also das Zusammenfahren der einzelnen vorgefertigten Teile der Sendung, fand erst fünf Monate später im Februar 1976 statt, kurz vor der Ausstrahlungam 8. März. Die Studiosketche waren auf zwei Zoll breite Video-Magnetbänder aufgezeichnet worden. Diese MAZ-Bänder konnte man nicht mechanisch schneiden. Wenn man Schnitte vornehmen wollte, musste man das Material jedes Mal komplett neu überspielen. Das ging zwei- bis dreimal gut (man sprach hier von erster, zweiter Generation), danach wurde das Bildrauschen, das sich von Generation zu Generation verstärkte – man kennt den Effekt von mehrfach überspielten Tonbändern oder Musik-Kassetten – zu heftig. Wir konnten also nicht viel herumprobieren, sondern mussten im ersten Durchgang eine Punktlandung auf die gewünschte Länge erzielen. Durch die zeitlich angepassten Moderationen war das möglich.
»Loriots sauberer Bildschirm« wurde ein großer Erfolg. Die Einschaltquote spielte noch nicht die alles beherrschende Rolle, die sie heute leider auch beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen einnimmt. Man maß sich nur mit dem ZDF, das Privatfernsehen gab es noch nicht. Aber die Quote muss wohl doch sehr gut gewesen sein, auch wenn Loriot zeitlebens die Devise ausgegeben hatte, man müsse die Quoten niedrig halten, dann könne man sich mehr erlauben.
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* Der Begriff »Gegenschuss« bezeichnet eine Schnitttechnik beim Film. Dialogszenen werden häufig in »Schuss« und »Gegenschuss« aufgelöst, wobei der »Schuss« den einen Schauspieler zeigt und der »Gegenschuss« sein Gegenüber. Im Fall dieses Buches sind die »Gegenschüsse« Anmerkungen, Anekdoten und Gedanken, die Kollegen, Weggefährten und Freunde Loriots auf Wunsch des Autors beigetragen oder deren
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