Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
2-Zoll-MAZ-Videobändern brauchte man aber technische Geräte, die nur im Sender zur Verfügung standen.
Der MAZ-Schnitt war überdies schwerfällig und bei weitem nicht so präzise wie der Filmschnitt. Das beim Film übliche Vorgehen, sich über mehrere Rohschnittversionen an den endgültigen Feinschnitt heranzutasten, verbot sich wegen des zunehmenden Bandrauschens durch die jeweiligen Kopiervorgänge.
Bei den Außenaufnahmen zu »Loriot 2«
Da kam uns Wolfgang Stöver, ein genialer Bildtechniker des Senders, zu Hilfe. Er entwickelte eine Methode, die Videoaufnahmen auf Film zu transferieren und sogar mit einem ins Bild eingeblendeten Timecode zu versehen. Voller Stolz präsentierte er uns seine Apparatur, die ihrer Zeit weit voraus war. In einem abgedunkelten Raum stand eine Filmkamera mit Blick auf einen Monitor, vor dem eine Reihe von Leuchtdioden aufgebaut war, die an Röhren eines altertümlichen Radios erinnerten und rötlich flackernd den Timecode des MAZ-Bandes anzeigten. Die Anordnung hatte den Charme des Laboratoriums von Professor Frankenstein.
Heute ist es Standard, dass jedes einzelne Filmbild, das das Schnittprogramm eines Computers durchläuft, seinen Timecode hat, der Stunde, Minute, Sekunde und Frame (25 pro Sekunde) präzise anzeigt und jederzeit eingeblendet werden kann. Damals betraten wir Neuland. Vermutlich waren wir die Ersten, die im deutschen Fernsehen eine MAZ-Produktion mit einem sogenannten »Offline-Schnitt« auf 16mm-Film bearbeiteten.
Der Vorteil unserer Methode liegt auf der Hand. Mit den von Herrn Stöver in tagelanger Arbeit hergestellten »FAZen« (16mm-Filmaufzeichnungen) konnten wir schnitttechnisch vollkommen frei verfahren. Wir konnten in Ammerland in aller Ruhe Schnitte ausprobieren und verwerfen, bis wir die bestmögliche Version hatten, in der Timing und Ablauf perfekt waren. Und das alles, ohne im Sender wochenlang ein teures Schnittstudio zu blockieren.
Außer dem wiederkehrenden Auftritt von Herrn Pannek enthielt die zweite Sendung einige weitere Klassiker, wie zum Beispiel die »Zimmerverwüstung«, einen der kompliziertesten Drehs der gesamten Bremer Zeit. Der Beginn der Szene um einen Versicherungsvertreter, der, während er auf die Dame des Hauses wartet, ein – übrigens von Loriot eigenhändig entworfenes – aus dem Rahmen gerutschtes abstraktes Bild geraderücken will und zum Schluss das gesamte Wohnzimmer in Trümmer legt (»Das Bild hängt schief«), war noch einfach zu realisieren, aber die chaotische Steigerung zum finalen Zusammenbruch des Bücherregals und der Vorhangstangen war schwierig. Da vieles in Großaufnahmen erzählt wurde, musste Loriot alles selber spielen, einen Stuntman hätte man sofort erkannt. Erstaunlich, wie wagemutig er sich in das Abenteuer gestürzt hat, obwohl er schon damals an ständigen Rückenschmerzen litt. Als er auf den Couchtisch fiel, der dadurch alles, was daraufstand, katapultartig in den Raum schleuderte, entging Loriots Kopf nur um Haaresbreite einem schweren Kerzenleuchter. Wenn ich mir die Szene heute auf der DVD in Zeitlupe ansehe, wird mir immer noch ganz anders.
Außer dem unabsichtlich fliegenden Kerzenleuchter wurde streng nach Plan vorgegangen. Selbst kleinste Details der Szene waren im Drehbuch genau beschrieben – das Festhängen des linken Schuhabsatzes in einem kleinen Teppich, der Kampf mit einem Telefonkabel, bei dem ein Schreibtischbein weggerissen wird, sowie der Versuch des Mannes, sich vor dem aufihn fallenden Schreibtischaufsatz voller Bücher und einem weiteren Sturz zu retten, indem er sich an den Gardinen festhält, was dann zur endgültigen Katastrophe führt.
Das letzte Zusammenbrechen konnte nur einmal gedreht werden. Wir gingen einfach davon aus, dass es klappen würde, und richteten alle Kameras auf den finalen Crash. Und tatsächlich, alles brach so zusammen wie geplant. Applaus und große Erleichterung, vor allem bei Loriot, der heilfroh war, die Sache hinter sich gebracht zu haben. Beim Schnitt haben wir dann einen von einem Unterhaltungsorchester gespielten »Bolero« (an dem Original von Ravel wollten wir uns dann doch nicht vergehen) unter die Szene gelegt, um ihre Dramatik zu betonen.
Auch in dieser Sendung wurden wieder prominente Zeitgenossen knollennasig parodiert. Es gab Herbert Wehner und Franz Josef Strauß als Zeichentrickfiguren, ebenso wie die köstlichen Comedian Harmonists. Was für ein schöner, sonniger Nachmittag im Mai 1976, an dem wir in Loriots Arbeitszimmer
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