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Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Titel: Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Lukschy
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Durchreise bekamen. Sie hatten einen anderthalb Jahre alten Sohn, der nackt über den Rasen krabbelte und sich in einem kurzen unbeobachteten Moment an den Rand des menschenleeren Pools stellte, um dort »Männeken Piss« zu spielen. Die Mutter sah ihn, ging zu ihm und zog ihn vom Pool weg. Genau in diesem Moment kam der große Sir Georg Solti mit einem Handtuch um die Hüften in den Garten. Solti dirigierte den »Ring« und wohnte auch in Seulbitz. Er steuerte den Pool an, ließ sein Handtuch zu Boden fallen und bestieg das Schwimmbad, ohne zu ahnen, was kurz zuvor geschehen war. Wir konnten uns vor Lachen kaum halten. In einer Laudatio hatte Bayerns Exministerpräsident Stoiber einmal gesagt, Loriot sei der lebendige Beweis dafür, dass es auch Humor oberhalb der Gürtellinie gebe. In diesem Fall von unfreiwilligem Humor unterhalb der Gürtellinie konnte auch Loriot sich des Lachens nicht erwehren.
    Kurz bevor wir das nächste Mal zu den Festspielen fuhren, fiel mir in Ammerland zufällig Loriots Auto-Anhänger für Gartenabfälle ins Auge, an dessen beiden Seiten je ein altes Firmenschild angebracht war. Darauf stand in roter Fraktur: Wagner-Anhänger. Wir schraubten die leicht zerbeulten Blechschilder ab und befestigten sie bei unseren Reisen zum Grünen Hügel mit Hilfe von Saugnäpfen innen an den Heckscheiben unserer Autos. Bei allem tiefen Ernst der Wagnerei, unser Bayreuth war doch immer sehr komisch.

    Es gehört vielleicht nur indirekt hierher, aber eine Anekdote aus dem Hause Wahnfried, die Loriot von Wolfgang Wagner selbst erzählt bekommen hatte, muss schon allein deshalb aufgeschrieben werden, weil Loriot sie so sehr liebte:
    Als Wieland Wagner einundzwanzig Jahre alt geworden war, besuchte der mit der Familie Wagner eng befreundete »Onkel Wolf« alias Adolf Hitler wieder einmal die Villa Wahnfried. Hitler schaute dem jungen Mann fest ins Auge und sagte väterlich streng: »Mein Jonge, du bist jetzt einundzwanzig Jahre alt, da wird es Zeit, dass du in onsere Partei eintrittst.« – »Selbstverständlich, Onkel Wolf«, antwortete der Enkel Richard Wagners strahlend seinem Führer. Am nächsten Tag ging er zum Bayreuther Parteibüro der NSDAP und verkündete dem Büroleiter: »Mein Name ist Wieland Wagner, ich will in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei eintreten!« Der gemütliche und ordentliche fränkische Beamte lobte den jungen Mann: »Das ist sehr schön, aber da brauchen Sie zwei Bürgen.« Mit stolzgeschwellter Brust trompetete Wieland: »Mein Bürge ist unser Führer Adolf Hitler!« Der Parteimann ließ sich davon nicht beeindrucken. Er schüttelte den Kopf und sagte trocken: »Aner genücht net …«
    Eine sehr deutsche Geschichte, unheimlich in ihrem zwanghaften Gehorsam und rasend komisch in ihrer fast schon anarchistisch anmutenden bürokratischen Auflehnung gegen den Führerkult.

Loriot 4
    Kurz nach meinem ersten Bayreuth-Erlebnis begann im August 1977 der Dreh von »Loriot 4«. Dadurch, dass ich den Sommer über lange Zeit in Ammerland verbracht hatte, waren wir bestens vorbereitet. »Loriot 4« war die einzige der Bremer Sendungen, die ausschließlich im Studio gedreht wurde.
    Da im Studio die Unwägbarkeiten, die ein Originaldreh mit sich bringt, wegfielen, erlebten wir auch weniger erzählenswerte Zwischenfälle. Unsere Besuche bei »Grashoff« dagegen häuften sich bedenklich. Und wir waren das einzige Mal während unserer ganzen Zeit in Bremen in der Oper. Es gab »Salomé« mit der berühmten Amerikanerin Felicia Weathers in der Titelrolle. Als sie sich beim »Tanz der sieben Schleier« tatsächlich auf der Bühne auszog, glaubten wir unseren Augen nicht zu trauen. Zwei Monate später, während des Schluss-Editings der Sendung, sahen wir im selben Haus, in dem auch Sprechtheater gegeben wurde, eine sehr moderne Inszenierung des »König Ödipus« von Sophokles, und wieder trat eine Dame barbusig auf. Diesmal war es Evelyn Hamann, die weiter am Bremer Theater engagiert war. Damals war Nacktheit auf der Bühne noch die Ausnahme und wirkte provokant, heute ist es ja eher umgekehrt. Wir nahmen die nackten Schauspieler mit Humor und saßen kichernd wie kleine Jungs in unserer Loge, die wir glücklicherweise für uns allein hatten.
    Evelyn war jetzt schon mehr als nur Loriots ständige Partnerin. Die »Englische Ansage« (»North Cothelstone Hall …«) war extra für sie geschrieben worden. Und es war einer der wenigen Sketche, in denen Loriot nicht mitspielte. Um die

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