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Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Titel: Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Lukschy
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Nacherzählung der englischen Krimiserie besonders verzwickt zu machen, hatte sich Loriot von meinem Vorgänger, dem englischen Regisseur Tim Moores, eine lange Liste von komplizierten und »th«-gesättigten Orts- und Personennamen (»Nether Addlethorpe«, »Lady Hesketh-Fortescue«) aufschreiben lassen. Aus diesen montierte er dann den verquatschten Text. Evelyn durfte während der Aufnahmen ablesen, obwohl sie den Text selbstverständlich auswendig gelernt hatte, das gehörte zu ihrer Professionalität. Vorher aber hieß es ausleuchten.
    In ihrer cremefarbenen Bluse und mit der gewellten rotblonden Perücke sah Evelyn hinreißend aus. Loriot wollte aber, dass sie auch ebenso hinreißend beleuchtet wurde. Ihm schwebte Kinolicht vor. Die Studiokameras lieferten aber so gnadenlos kontrastreiche Bilder, dass Loriot schwer zufriedenzustellen war. Da wir glücklicherweise an dem Tag nur diesen einen Sketch zu drehen hatten, nahmen wir uns Zeit. Unsere armen Kollegen vom Licht müssen verzweifelt sein. Wenn Loriot zufrieden war, fing ich an, zu mäkeln und ihn zu neuen Zweifeln anzustacheln. Wenn mir, dem gelernten Kameramann, das Licht gefiel, bemerkte er Details, die man noch verbessern konnte. Sein Perfektionismus und mein Perfektionismus ergänzten sich auf teuflische Weise.
    Endlich stand das Licht, und wir konnten anfangen zu drehen. Nach dem stressigen Ausleuchten bestand die Herausforderung für das Team nur noch darin, während Evelyns Vortrag nicht loszulachen. Mehr als einmal brach irgendjemand in Gelächter aus und schmiss die Aufnahme.
    Ein Sketch wurde nicht zum Klassiker und ist dennoch aus zwei Gründen erwähnenswert. Evelyn spielt darin eine äußerst unscheinbare graue Maus, und Loriot ist in einem gefälschtenFilmdokument zu sehen. »Das ist Ihr Leben« war eine seinerzeit populäre Live-TV-Show, in der Prominente unter einem Vorwand ins Studio gelockt und dort mit Personen aus ihrer Vergangenheit überrascht wurden, denen sie in der Regel lieber nicht begegnet wären. Loriot, in der Rolle des Filmstars Thomas Braunkötter alias Ted Brown, begegnete unter anderem der grauen Evelyn, Herrn Pannek als Fußballer und der leibhaftigen Marianne Koch (als sie selbst). Vorher wurde ein alter Schwarz-Weiß-Film eingespielt, der Ted Brown als Baby zeigte. Der Sender war nicht in der Lage, einen Film zu besorgen, der historisch aussah und für den man die Rechte bekommen konnte. Da erinnerte ich mich, dass ein mit meinen Eltern befreundeter Kameramann im Jahr 1945 meinen Bruder als Baby mit seiner 16mm-Kamera gefilmt hatte. Mein Bruder fand in seinem Keller die alte Filmdose, und sie erwies sich als ideal für unseren Zweck. So wurde also mein Bruder als der Neugeborene Ted Brown alias Loriot in die Sendung eingeschnitten.
    Evelyns Maske der unscheinbaren grauen Maus war derart gelungen, dass einige Teammitglieder sie nicht erkannten, als sie das Studio betrat.
    Außer mit Evelyn ging es auch mit Herrn Panneks Karriere steil bergauf. In »Das ist Ihr Leben« joggte er noch im Trainingsanzug durchs Bild, im »Galadiner« plauderte er schon im eleganten Smoking als Herr von Droysen mit seiner beleibten Nachbarin. Den Namen des Barons hatte Loriot gewählt, weil ich in der Droysenstraße in Berlin-Charlottenburg wohnte.
    Das größte Problem beim »Galadiner« war der brennende Hauptdarsteller. Nachdem er verzweifelt daran gearbeitet hat, mit anderen Gästen ins Gespräch zu kommen, fängt sein Arm beim Versuch, eine Weintraube zu ergattern, Feuer. Es ging das Gerücht um, dass es für Filmzwecke »kaltes« Feuer gäbe, und so stand es auch in der Requisitenliste. Beruhigend, dachten wir, denn niemand wollte das Risiko eingehen, dass Loriot ein Opfer seiner selbst inszenierten Flammen wird. Als der Pyrotechniker im Atelier erschien, um den jammervollen Dinner-Gast für den Schluss des Sketches vorzubereiten, in dem sein Ärmel Feuer fängt, fragte Loriot den Kollegen, ob er denn auch das »kalte« Feuer mitgebracht habe. »Kaltes Feuer gibt es nicht«, lautete die knappe und präzise Antwort des Spezialisten, »wenn’s brennt, dann brennt’s.« Loriot ließ sich sein Entsetzen nicht anmerken. Schließlich war das »Galadiner« einer der aufwendigeren Sketche – die kostbare Dekoration, die vielen teuren Schauspieler, die edlen Abendgarderoben …
    Heldenmutig ertrug Loriot es, mit Brandpaste eingeschmiert und angezündet zu werden. Selten habe ich ihn so erleichtert gesehen wie in dem Augenblick, als die

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