Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
Vernichtung bewahrt und es den Festspielen abgekauft. Das Einzige, was fehlte, waren zwei kleine Engelsköpfe, die über der Tür zu Brünnhildes Schlafgemach in die Wand eingelassen waren. Die beiden Köpfe hatte sich Chéreau selber als Erinnerungsstücke an seine Bayreuther Zeit mitgenommen.
»Und jetzt zeige ich euch mein Musikzimmer!« Wir erwarteten einen Steinway-Flügel mit einer Wagner-Büste und staunten nicht schlecht, als wir in einen großen Saal des Schlosses traten, an dessen Wänden Plakate des Films »Easy Rider« hingen und in dessen Mitte ein riesiges Schlagzeug stand. Daneben große »Orange«-Verstärkerboxen und eine Auswahl von Elektrogitarren. Von einem Flügel und einer Wagner-Büste keine Spur. Peter Hofmann liebte Rockmusik – und schwere Motorräder. Und Loriot, dem dies alles eher fremd war, wurde gezwungen, mit dem Heldentenor eine Runde durch die fränkische Landschaft zu drehen. Loriot mit Sturzhelm auf dem Sozius einer Harley-Davidson, ein seltener Anblick.
Peter Hofmann bescherte uns viele große Abende, aber einer war noch größer als die vielen anderen. Es war »Tristan« in Bayreuth, am 13. August 1986. Daniel Barenboim dirigierte, der Regisseur war Jean-Pierre Ponnelle, Ekkehard Wlaschiha war Kurwenal, Matti Salminen König Marke, Waltraud Meier Brangäne, Catarina Ligendza gab die Isolde, und Peter Hofmann sang sich in der Titelpartie buchstäblich die Seele aus dem Leib. Die Aufführung war derart elektrisierend, dass wir alle sprachlos und mit weichen Knien aus der Vorstellungherauskamen. Die Sänger müssen Ähnliches empfunden haben, denn sie feierten am Tag darauf spontan ein großes Fest in Erinnerung an diese Sternstunde. Warum ich ausgerechnet an diesem Abend bessere Karten hatte als Loriot, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls saß ich in der ersten Reihe Mitte, direkt vor dem gewölbten grauen Holzdeckel, der das Orchester in Bayreuth verbirgt. Vor mir befand sich mitten im Schalldeckel eine zugeklebte und überlackierte kleine Luke. Das war die Luke, die Richard Wagner immer öffnete, wenn er, der seine Opern in Bayreuth nie dirigierte, sondern immer nur inszenierte, mit seinem Dirigenten sprechen wollte. Bei einer späteren Renovierung des Festspielhauses ist Wagners Luke bedauerlicherweise verschwunden.
Ich persönlich verdanke der Begegnung mit Peter Hofmann noch einen weiteren der großen Eindrücke meines Lebens. Als ich 1981 keine Karten für »Lohengrin« hatte, nahm er mich mit ins Festspielhaus und sorgte dafür, dass ich einen Akt lang im Orchestergraben sitzen durfte, der sich tief nach hinten unter der Bühne ausdehnt. Von den Sängern auf der Bühne über mir nahm ich in erster Linie undeutliches Getrampel wahr. Die Stimmen waren unten im Graben kaum zu hören. Ich bekam eine Ahnung davon, wie schwierig es für den Dirigenten sein musste, in diesem auch noch von dem Deckel abgedeckten Orchesterraum einen Klang zu produzieren, der sich im Zuschauerraum mit den Stimmen perfekt mischt.
Sehr treffend war Hofmanns Beschreibung des »Alten«, wie Wolfgang Wagner auf dem Grünen Hügel liebevoll genannt wurde: »Nach jedem Satz sagt der: ›Gut, schön, gell …‹« Als wir in einer Opernpause kurz beim Festspielchef Hallo sagen durften, verabschiedete der uns: »So, Pause ist zuende, gut schön, gell …« Wir mussten uns sehr zusammenreißen, nicht loszuprusten.
Zu meinem 30. Geburtstag, den ich in kleinem Kreis in Ammerland feiern durfte, überraschte mich Loriot mit einemgroßartigen Geschenk, einem Gutschein über zwei Karten für den kompletten Ring-Zyklus in Form eines knollennasigen Wagner – seine erste Zeichnung des Komponisten.
Richard Wagner (1813–1883)
Es folgten noch viele weitere gemeinsame sommerliche Besuche in Bayreuth. Ich war Wagners Werken inzwischen vollständig verfallen und hörte über fünf Jahre kaum eine andere Musik. Auch »Höhenwahn«, der 1977 in Loriots Studio geschnitten wurde, wurde mit orchestralen Partien aus dem »Ring« vertont.
Während der Festspiele wohnten wir im Waldhotel Stein in Seulbitz, das eine ähnlich reizvoll verschlafene Atmosphäre hatte wie Schloss Elmau. An den spielfreien Tagen lümmelten wir am kleinen Swimmingpool in der Sonne und bereitetenuns mittels Textbuch und Walkman auf die kommenden Vorstellungen vor. Wir waren vollkommen aus der Zeit gefallen und ganz in der Welt Wagners.
Die komischste Geschichte in Seulbitz passierte, als wir Besuch von gemeinsamen Berliner Freunden auf der
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