Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
an dem Tag reichlich zu tun.
Loriot bedankte sich später übrigens bei Rudolf Kowalski für seinen Armbruch, der Sketch sei durch die Gipsarme überhaupt erst richtig komisch geworden.
Rudolf Kowalskis virtuose Vertreter-Darstellung wurde von den Göttern des Films indes nicht belohnt, zumindest den Göttern, die für die Technik zuständig waren. Als wir am Schneidetisch die Einstellungen ansahen, in denen Herr Jürgens Frau Hoppenstedt den Saugblaser vorführt, stellten wir fest, dass der Ton nicht synchron lief. Aus unerfindlichen Gründen war die Steuerung, die die 16mm-Kamera und das Tonbandgerät synchronisierte, ausgefallen. Heutzutage wäre die Korrektur eines solchen Fehlers eine Kleinigkeit. Einen Ton digital zu beschleunigen, ohne dass sich die Tonhöhe verändert, das kann heute jeder Laptop. Damals war es extrem mühsam.
Das Material ging in ein Tonstudio und wurde mit Bandmaschinen, deren Geschwindigkeit stufenlos veränderbar war,sekundenweise bearbeitet. Das Ergebnis war synchron, aber die Stimme von Herrn Jürgens klingt durch das schneller laufende Band doch etwas piepsig. Mehr war leider nicht drin. Der Popularität des »Vertreterbesuchs« hat der kleine Fehler glücklicherweise nicht geschadet.
Bevor wir den »Vertreterbesuch« drehen konnten, musste Familie Hoppenstedt noch komplettiert werden. Die Erwachsenen waren alle besetzt, nur für »Dickie« fehlte uns noch ein passender Junge. Dass unter den gecasteten Kindern ein späterer Star war, ahnten wir nicht. Alle Kinder, die sich vorstellten, mussten das Kurzgedicht »Zicke Zacke Hühnerkacke« deklamieren, und wir befanden schließlich, dass die kleine Katja Bogdanski es am besten gemacht hatte. Es handelte sich bei ihr zwar um ein Mädchen, aber das störte nicht weiter. Dickie wurde als Junge angezogen, und später gab es im Rahmen von Transgenderdebatten in einigen Feuilletons sogar ernsthafte Interpretationen der Zwischengeschlechtlichkeit des Kindes, die als wegweisend für eine Zeit angesehen wurde, wo sich die Grenzen der Geschlechter aufzulösen begannen.
Der Junge, der es beim Kinder-Casting nicht geschafft hatte, war Hape Kerkeling. Hätten wir geahnt, wer uns da durch die Lappen gegangen ist, wir hätten es uns nicht verziehen. Jahre später lernten sich Loriot und Kerkeling »richtig« kennen.
☞ GEGENSCHUSS HAPE KERKELING ☜
Zum ersten Mal begegnete ich Loriot 1989 bei einem verregneten Dreh für eine Show mit Michael Schanze am Starnberger See. Mangels anderer Unterbringungsmöglichkeiten teilten Herr von Bülow und ich uns einen sehr ungemütlichen Wohnwagen, der leicht schräg auf einer matschigen Uferwiese stand und nur mit dem Nötigsten ausgestattet war. Nämlich: einer beigefarbenen Sitzgruppe sowie steingrauer Auslegeware.
Darüber hinaus gab es ein Stockbett, »Modell Andante«, welches übrigens »etwas stramm in der Rückenlage« war, wie das bei Loriot hieß. Da besagte Sitzgruppe nicht einladend und die Wartezeit lang war, hielten wir es für angebracht, liegend auf unseren Einsatz zu warten. Herr von Bülow entschied sich für das obere Bett, ich nahm das untere. Selbstverständlich! Was für eine herrlich absurde Situation, wie aus einem seiner Sketche.
Erstaunt war ich darüber, dass der große Loriot nicht im Geringsten gegen diese miese Unterbringung rebellierte, sondern den Umstand mit einem Lächeln akzeptierte und mich – damals gerade mal vierundzwanzig Jahre alt – mit großer Offenheit und Freundlichkeit behandelte.
So lagen wir da wie zwei Buben im Landschulheim, die aus purer Langeweile einen Streich planen, denn irgendwann sagte Loriot: »Herr Kerkeling, was meinen Sie? Man wird sicherlich erwarten, dass wir in der Show etwas Komisches zum Besten geben. Sollten wir beide nicht, auch angesichts des Wetters, einfach sagen: Wir sind heute nicht komisch?«
Ich musste sehr laut über diesen Vorschlag lachen. »Darf ich Ihr Lachen als Einverständnis werten!?«, hakte er nach. »Gerne! Genau so machen wir das, Herr von Bülow!«, stimmte ich seinem Vorschlag zu. War dieser Mann in jenem Moment wirklich vierzig Jahre älter als ich? Eine halbe Stunde später saßen wir nebeneinander in einem mobilen Maskenwagen, um für die Show geschminkt zu werden. Ein aufgekratzter WDR-Redakteur stürmte herein und auf Loriot zu und brachte den Wagen und uns Insassen dadurch schwer zum Schaukeln.
Wild gestikulierend redete er auf Loriot ein: »Herr von Bülow, nur damit Sie es wissen, Sie können heute hier
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