Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
fuhren, beschlossen wir, nicht den mühsamen Umweg mit dem Flieger von München über Hamburg zu wählen – Bremen wurde nicht direkt angeflogen –, sondern einen kleinen Ausflug in das von Loriot so sehr geschätzte 19. Jahrhundert zu unternehmen.
Wir fuhren mit der Bahn, und zwar in zwei nebeneinanderliegenden Schlafwagenabteilen, sogenannten »Singles«. Der Preis entsprach etwa dem von zwei Flugtickets, aber das Vergnügen war deutlich größer. Die beiden Abteile hatten eine zusammenschiebbare Zwischenwand. Nachdem der Zug den Münchner Hauptbahnhof gegen 19 Uhr verlassen hatte, ließ Loriot den Schlafwagenschaffner kommen und bat ihn, die Faltwand zwischen den Abteilen zu öffnen, was der Mann mit der Aussicht auf ein anständiges Trinkgeld gern tat. Vermutlich hielt er uns für ein schwules Pärchen.
Durch die Zusammenlegung der Abteile hatten wir einen regelrechten kleinen Salonwagen. Wir ließen uns etwas zu essen und zu trinken servieren, ein Tisch wurde aufgebaut, es war wie eine Reise in längst vergangene Zeiten. Nachdem wir noch ein wenig gearbeitet und geplaudert hatten, ließen wir den Schaffner erneut kommen, um ihn zu bitten, die Zwischenwand wieder zu schließen. Sein verwunderter Blick sprach Bände. Wir hatten mit unserer Vermutung wohl recht.
Am nächsten Morgen kamen wir ausgeschlafen und gut gelaunt in Bremen an. Das Schöne an dieser Fahrt war, dass wirsie beide eher als ironische Live-Inszenierung empfunden haben, denn als ernstzunehmenden Luxus. Ja, selbst die Anreisen zur Arbeit waren mit Vicco ein Vergnügen. Zu unserem Studiodreh waren wir vier Wochen zuvor über Hamburg geflogen und sahen dort in der Staatsoper eine herrlich lebendige »Così fan tutte«-Inszenierung vom späteren Intendanten der Deutschen Oper Berlin, Götz Friedrich.
Nach den zwei Kurzauftritten in »Loriot 5« sollte Rudolf Kowalski in »Loriot 6« endlich seinen großen Auftritt bekommen. Er spielte Herrn Jürgens, seines Zeichens Saugblaservertreter, der Frau Hoppenstedt in ihrer Wohnung heimsucht, um ihr das Gerät schmackhaft zu machen. Am Tag vor dem Dreh bekamen wir einen Anruf von Rudolf, dass er sich den Arm gebrochen habe. Wir müssten umbesetzen. Die Telefone liefen heiß: Wie schlimm war der Armbruch? Konnte man den Arm so eingipsen, dass der Gips unter dem Ärmel nicht sichtbar war? Was passierte mit dem Sketch »Vertreterkonferenz«, der zwei Wochen später im Konferenzsaal der Saugblaserfabrik gedreht werden sollte? Wer konnte die Rolle übernehmen? Die letzte Frage war schnell beantwortet. Rudolf Kowalski sollte unter allen Umständen die Rolle spielen, Loriot wollte nur ihn.
Wir saßen im Hotel und suchten verzweifelt nach einer Lösung. Ich weiß nicht mehr, wer von uns die Idee hatte, Kowalski die Rolle des Vertreters Jürgens mit Gipsarm spielen zu lassen, und den Saugblaser »mit dem Arm in der Binde als bedienungsfreundliches Einhandgerät« anzupreisen. Es war wohl eine Gemeinschaftsarbeit: der Gipsarm als Verkaufstrick. Aber da war ja auch noch der zweite Sketch, in dem Herr Jürgens, während er eine Vertreterkonferenz leitet, kurz mit seiner Gattin zuhause telefoniert, damit sie ihm wichtige Unterlagen heraussucht. Dabei drückt er versehentlich auf einen Knopf an der Telefonanlage und stellt seine Frau auf Lautsprecher, ausgerechnet in dem Moment, als sie seine versammelten Saugblaser-Kollegen verbal zur Schnecke macht.
Wieder liefen die Telefone heiß. Der behandelnde Arzt versprach, dass der Arm in zwei Wochen so weit stabilisiert sei, dass Rudolf mit einem ganz dünnen Gips, der unter seinem Anzugärmel nicht zu sehen wäre, die Szene im Konferenzsaal würde spielen können. Das war die Lösung. Loriot schrieb den Sketch um, und Rudolf Kowalski blieb Herr Jürgens – mit Gips.
Bei der als zweites gedrehten Szene »Vertreterkonferenz« trugen jetzt dafür die zehn Kollegen von Herrn Jürgens, die mit ihm an einem langen Konferenztisch saßen, allesamt einen falschen Gips, der dem »Einhand-Saugblaser Heinzelmann« zum Durchbruch verhelfen sollte. Wenn man genau hinsieht, kann man erkennen, dass Rudolf Kowalski bei den hektischen Versuchen, das peinliche Telefonat mit seiner Gattin wieder leise zu stellen, etwas steif agiert. Kein Wunder, er war der Einzige im Raum, der wirklich einen gebrochenen Arm hatte und eine echte, wenn auch sehr dünne versteckte Armschiene trug. Die Maskenabteilung, die für die zehn gefälschten Gipsarme seiner Außendienst-Kollegen zuständig war, hatte
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