Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
so richtig Gas geben, es darf richtig krachen und lustig werden!«
Loriot blieb gelassen und verkündete mit feierlichem Unterton: »Herr Kerkeling und ich haben beschlossen: Wir sind heute nicht komisch!« Der Redakteur wurde blass und der Regen – zumindest in meiner Erinnerung – noch heftiger.
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Außer »Zicke Zacke Hühnerkacke« aufzusagen, hatte Dickie die ehrenvolle Aufgabe, mit dem Fuß ein Fernsehgerät anzutreten, auf dem die Wiederholung eines Zeichentrick-Klassikers von Loriot lief: das im freundlichsten Märchenton vorgetragene Gedicht »Advent«, in dem eine Försterin ihren Gatten hinmeuchelt, die Leiche fein säuberlich zerlegt und die Einzelteile – bis auf ein Stück Filet –, in Geschenkpapier verpackt, Knecht Ruprecht auf seinen Schlitten reicht (»Die sechs Pakete, heil’ger Mann, ’s ist alles, was ich geben kann«). Führte der kannibalistische Cartoon bei seiner Uraufführung im Jahr 1969 noch zu einem kleinen Skandal, so störte sich 1978 niemand mehr daran, dass Opa Hoppenstedts Enkelkind sich das grausame Stück ansah.
Wie sehr Loriot in seinen Opa Hoppenstedt vernarrt war, beweist schon die Tatsache, dass er ihn in der sechsten Sendung gleich zweimal auftreten ließ, im Spielwarengeschäft und als weihnachtlichen Marschmusikfan – und das alles trotz der ungeliebten Schrumpelmaske.
Die Szene, in der das Spielzeug-Atomkraftwerk explodiert und ein Loch in den Fußboden der Wohnung sprengt, war nicht unaufwendig. Die weihnachtliche Bescherung wurde in der Originalwohnung gedreht, dort konnten wir naturgemäß kein Loch in den Boden schneiden. Wir mussten also tricksen, Wohnung und Studio wild mixen und drehten in der Wohnung alles, ohne den originalen Fußboden zu zerstören. Nachdem die Sicherheitskuppel des explodierten Atomkraftwerkes zur Seite geflogen war, guckt Herr Hoppenstedt (Heinz Meier) in dessen stehengebliebenen Teil, in dem eine kleine Glühbirne versteckt war. Der Gegenschuss auf das Ehepaar in der darunterliegenden Wohnung wurde im Studio gedreht, ebenso wie der Schuss auf Heinz Meier, der durch das Loch in deren Zimmerdecke schaut und seinen »Nachbarn« erklärt, dass Weihnachten das Fest des Kindes sei und sie sich über die Explosion nicht aufregen sollen.
Als Opa Hoppenstedt anschließend zum Marsch »Alte Kameraden« durch das Weihnachtszimmer paradierte, trat er an der Stelle des Loches schwungvoll auf, riss die Arme nach oben und ließ sich nach unten aus dem Bild fallen. Im Gegenschuss sieht man ein Bein durch das Loch in der künstlichen Zimmerdecke im Studio krachen – es war mein Bein.
Das gefälschte Bein von Opa Hoppenstedt
Man muss sich immer wieder klarmachen, dass Opa Hoppenstedt von einem 55-Jährigen gespielt wurde. Loriot hat Jahrzehnte später ironisch daran erinnert, dass er nunmehr im tatsächlichen Alter des Greises sei (»Ich bin Opa Hoppenstedt!«). Trotzdem, so alt wie Opa Hoppenstedt sah der geistig ewig junge Vicco im wahren Leben nie aus.
»Loriot 6«, die letzte Bremer Sendung, endet – ein Beweis dafür, wie wenig eitel Loriot war – nicht mit ihm, sondern mit Herrn Pannek als Weihnachtsmann. Nach den Dreharbeiten hielt ich es für angebracht, in meinem Notizbuch auf eine denkwürdige Tatsache hinzuweisen:
»6. 11. 78 – Letzter Drehtag, nicht zu Grashoff.«
Die erste Wiederholung der Sendung, die seitdem zu einem Weihnachtsklassiker geworden ist, fand schon im folgenden Sommer statt, am 17. August 1979. Für diese Ausstrahlung wurde extra mit Evelyn Hamann eine Szene gedreht, in der sie als Ansagerin zunächst – mit Adventskerze – ein weihnachtliches Programm ankündigt, bis sie von einem Telefonat aus der Regie unterbrochen wird, die Kerze hastig ausbläst, zur Seite stellt und darauf hinweist, dass erst in 128 Tagen Weihnachten sei. Dieser wunderbare kleine Sketch war in keinem Senderarchiv mehr zu finden. Er hat dennoch überlebt – in meinem Privatarchiv, auf einer uralten VHS-Kassette, die ich bei seiner Erstausstrahlung im Jahr 1979 aufgenommen hatte.
1979 – Kein Jahr ohne Loriot
Mit »Loriot 6« war das Ende unserer Zusammenarbeit gekommen, so schien es zumindest. Das war einerseits traurig, weil wir uns seltener sahen, andererseits war ein gewisser Abstand für mich notwendig, um mich meinen eigenen Filmprojekten widmen zu können.
Was blieb, war eine enge Freundschaft, die bis zu Viccos Tod angehalten hat. So verbrachte ich schon das erste Ostern ohne gemeinsame Arbeit bei Bülows und genoss unter
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