Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
einmal vor Kameras öffentlich gelesen, bei einem Auftritt 1987 im Ost-Berliner Palast der Republik.
Die drei Ehegespräche waren nicht kompliziert auf die Bühne zu bringen. Schwieriger wurde es bei der musikalischenEröffnungsnummer des Abends, bei der Loriot als Klaviertransporteur in blauer Latzhose einer Fliege nachjagt, währenddessen versehentlich auf das Dirigentenpodium gerät und bei dem Versuch, die Fliege zu fangen, dem Orchester unfreiwillig den Einsatz gibt, loszuspielen. Loriots Idee beruhte auf der Annahme, dass Orchestermusiker es gewohnt sind, jedem, der auf dem kleinen Podium steht, bedingungslos zu folgen, wer auch immer es sei. Der Gedanke sollte sich als durchaus wahr erweisen.
Für die kurze Nummer musste enorm viel Detailarbeit geleistet werden, bevor Loriot seinen großen Traum erfüllt bekam, einmal im Leben die Berliner Philharmoniker dirigieren zu dürfen. Aber auch für mich ging ein kleiner Traum in Erfüllung. Im Alter von fünfzehn Jahren hatte ich die klassische Musik für mich entdeckt. Meine absoluten Götter waren die Berliner Philharmoniker. In der Regel ging ich dreimal in der Woche ins Konzert, die Philharmonie war mein zweites Zuhause. Jetzt durfte ich dort arbeiten.
Monate vor dem Kanzlerfest saßen wir endlich wieder in Loriots kleinem Arbeitszimmer in Ammerland und hörten ohne schlechtes Gewissen stundenlang Schallplatten, ging es doch um die Vorbereitung eines kulturellen Ereignisses von Rang. Da Viccos Liebe zur Musik in erster Linie der Oper galt, konnte ich mit meinen umfangreichen Kenntnissen des Orchester-Repertoires gute Dienste leisten.
Wir suchten ein dramatisches Stück mit einer besonders großen Fallhöhe zu dem naiven Klaviertransporteur. Ich erinnerte mich, dass meine Liebe für die Klassik mit einer kleinen 45er Platte mit Beethovens »Egmont«- und »Coriolan«-Ouvertüre begann. Wir hörten uns die Stücke an, die natürlich in Loriots Plattensammlung nicht fehlten. Aber weder »Egmont« noch »Coriolan« funktionierten. Wir mussten kombinieren. Für den Anfang, wenn der Fliegenfänger den großen Einsatz gibt, war der Beginn der »Coriolan«-Ouvertüre genau dasRichtige. Dann taten wir etwas, was Beethoven uns verzeihen möge, wir machten in seiner Musik ein paar kleine Schnitte und suchten die Teile der Ouvertüre heraus, die zur Choreographie des Mannes in der Latzhose am besten passten. Da es aber ohnehin nur um vereinzelte Orchesterschläge ging, schien uns dies ausnahmsweise erlaubt, zumal der Mann ja nicht wusste, was er »dirigierte«.
Nachdem die Fliege ihr Leben ausgehaucht hat, kommt der Moment, in dem der Klaviertransporteur das Orchester vor sich zum ersten Mal wahrnimmt und auf die Idee kommt, nunmehr richtig zu dirigieren. Dafür brauchten wir einen heroischen Abschluss und entschieden uns für das Finale der »Egmont«-Ouvertüre.
Für die Proben mit dem Orchester war ein Tag angesetzt. Loriot wollte gut vorbereitet sein, wenn er vor die Philharmoniker trat. Damit er zuhause unsere dekonstruierte Kombi-Fassung von »Coriolan/Egmont« üben konnte, die ja auf keiner Schallplatte existierte, stellten wir eine Schnittfassung her.
Die beiden Ouvertüren wurden auf ein 16mm-Tonband (»Perfo«) überspielt, wie man es für den Filmschnitt verwendete. Mit dem Perfoband gingen wir an den Schneidetisch, an dem wir auch schon die Bremer Sendungen geschnitten hatten. Ich trennte die passenden Stellen heraus, während Loriot neben mir mit den Armen fuchtelte und sich in die Rolle des Dirigenten wider Willen hineinzufinden versuchte. Ich fragte ihn, ob er überhaupt dirigieren könne bzw. ob er wenigstens die Grundschläge beherrsche. Er beherrschte sie nicht. Zwar war Loriot ein ungeheuer genauer Beobachter und genialer Parodist von Bewegungen, aber wenn er vor die Philharmoniker trat, sollte es schon etwas mehr sein als nur eine Parodie.
Schon zu meiner Schulzeit war mein Traum, Dirigent zu werden. Eine Zeit lang erhielt ich am Stern’schen Konservatorium in Berlin von Herbert Ahlendorf, einem Karajan-Assistenten, Dirigierunterricht. Das dort Gelernte konnte ich nunan meinen Freund weitergeben. Nachdem unsere Kurzversion der zwei Beethoven-Ouvertüren auf eine Musik-Kassette überspielt war, hatte ich das große Vergnügen, Loriot in seinem Arbeitszimmer Dirigierunterricht zu geben. Er stellte sich sehr geschickt an, übte mit seiner Kassette fleißig an der heimischen Stereo-Anlage, und schon bald machte er seine Sache so gut, dass er sich
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