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Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Titel: Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Lukschy
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Handlungsstränge und philosophischen Implikationen – zum Beispiel im »Ring des Nibelungen« – derart klar und gleichzeitig humorvoll zu vermitteln, dass man nicht das geringste Problem hatte, die Stücke leicht zu verstehen. Heißt es bei Wagner (Fricka zu Wotan in der zweiten Szene des »Rheingold«): »Liebeloser, leidigster Mann! Um der Macht und Herrschaft müßigen Tand verspielst du in lästerndem Spott Liebe und Weibes Wert?«, so wird daraus bei Loriot eine typische eheliche Auseinandersetzung, »die dem Ehemann keine Chance bietet«. In den folgenden Jahren wurde ich mehrfach Zeuge, wie er Wagner-Novizen in das Werk des Meisters einführte, immer mit Erfolg, immer mit sehr viel Humor. Viel später resultierte aus dieser eher privaten Leidenschaft – er wollte seine Freude an Wagner schlicht mit anderen teilen – sein »Ring an einem Abend«. Die CD ist inzwischen ein Muss für jeden Wagner-Neuling. Dieses live in seinem Arbeitszimmer erlebt zu haben gehört zu den beglückendsten musikdramatischen Erfahrungen meines Lebens.
    Loriots Arbeitszimmer war einer der kleineren Räume im Haus, sein Schreibtisch winzig, zugestellt mit Schreib- und Zeichenutensilien. An der Wand schräg rechts gegenüber vom Schreibtisch stand ein deckenhohes Regal mit Schallplatten – die CD war, als wir miteinander zu arbeiten begannen, noch nicht erfunden. Dem Schreibtisch direkt gegenüber, im Regal mit seinen eigenen Büchern, standen zwei riesige, für denkleinen Raum eindeutig überdimensionierte Aktiv-Lautsprecher, die das Arbeitszimmer in einen gewaltigen Konzertsaal verwandelten.
    Wenn wir nicht auf der Terrasse oder im Gartenhäuschen arbeiteten, sah der normale Arbeitsablauf so aus: Wir setzten uns nach dem Frühstück an seinen Schreibtisch, er an seinen Platz, ich mich, ihm gegenüber, in einen bequemen ledernen Kippsessel. Bevor wir zur Sache kamen, fiel ihm meist irgendeine Stelle oder ein Sänger ein, den er mir noch unbedingt vorspielen wollte. Er ging zu seinem High-Tech-Plattenspieler, der vor dem Plattenregal auf einem weißlackierten Tischchen stand, suchte die Schallplatte heraus und legte sie auf. In den seltensten Fällen setzte er sich wieder hin, weil auf das erste Musikbeispiel in der Regel ein weiteres und noch eins und dann noch viele andere folgten.
    Sein Freund Reinhard Baumgart hat dies so beschrieben: »Es wird berichtet, dass er, vor der monumentalen Hi-Fi-Anlage im winzigen Arbeitsstübchen sitzend, seine Besucher zunächst leise auf die jeweilige Sängerlautstärke hinweist, um dann plötzlich jäh aufleuchtende Spitzentöne mit einem locker aus dem Ellenbogengelenk in die Luft fahrenden Faustschlag zu begleiten, eine nicht nur unter Fernlastfahrern beliebte Geste männlicher Aggression und Potenz, die er, v. B., mit einem gar nicht mehr so leisen Laut seiner leisen Stimme zu verstärken pflegt, den seine Besucher als ›Uccch!‹ oder ›Occch!‹ wiedergeben.«
    Loriot hat zum Zeichnen immer Musik gehört. Wenn er Stellen einer Platte – oder später einer CD – besonders mochte, notierte er dies gleich mit Bleistift auf dem Plattencover oder im Begleitheft. Was er angestrichen hatte, war jedoch nicht nur für ihn bestimmt. Er benutzte diese Notizen als Erinnerung, wenn er der Familie, seinen Freunden und Gästen seine musikalischen Trouvaillen vorspielen wollte. In seinem Enthusiasmus war er ansteckend, ein lebender Beweis dafür, dass geteilte Freude doppelte Freude ist.
    Es wurden aber nicht nur meine Ohren verwöhnt – mit Loriots Lieblingsstellen aus der »Walküre« und anderen Opern (zum Beispiel der Verwandlungsmusik vom Vorspiel des ersten Aktes der »Götterdämmerung«, der sogenannten »Morgenröte«) –, er tat auch etwas für meine Augen und zeigte mir ausführlich seine Sammlung visueller Kostbarkeiten. Da gab es illustrierte Naturgeschichten mit kolorierten Stichen aus dem frühen 19. Jahrhundert, Enzyklopädien von Vögeln, Säugetieren und fremden Ländern sowie biedermeierliche Guckkästen mit gemalten Stadtansichten, die von hinten zu beleuchten waren – ein Universum des naiven Sehens tat sich auf. Ich entdeckte darin Vorformen des Kinos und war begeistert.
    Als ich ihm, im Gegenzug zu seinen Wagner-Präsentationen, einige meiner musikalischen Favoriten vorspielte, merkte ich, dass hinter der Fassade des auch im privaten Gespräch immer sehr komischen Loriot eine melancholische Seele wohnte. Schon am zweiten Tag dieses Besuchs in Ammerland verbrachten wir viel

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